Persönlichkeiten von schwulem Interesse
Allen Ginsberg
Helmut
Allen Ginsberg gehört zu den herausragenden Vertretern der
avantgardistischen Literatur in den USA. "Ich sah die besten Köpfe
meiner Generation vom Wahn zerstört/hungrig, hysterisch, nackt" - so
beginnt sein umstrittener, programmatischer Gedichtband Howl and other poems
von 1956, mit dem er gemeinsam mit seinen Freunden und Kollegen Jack Kerouac
und William S. Burroughs die literarische Bewegung der Beatniks
mitbegründet. Diese Autorengruppe lehnt alle tradierten Werte der
amerikanischen Gesellschaft radikal ab. Ginsberg gilt als unerbittlicher
Kritiker des bürgerlichen Amerikas, engagierter Gegner des Vietnamkriegs
und Vorkämpfer für die Rechte der Homosexuellen. Im Who's Who hat er
sich als verheiratet mit seinem Lebensgefährten Peter Orlovsky eintragen
lassen. Stonewall selbst hat er verpasst, aber schon am nächsten Tag war
er in New York. Sein Leben lang hat er die Regierung in Fragen der
Privatsphäre und der individuellen Freiheiten angegriffen. Und dazu
gehörte für ihn auch ganz zentral die sexuelle Orientierung. Als
Ergebnis sollen sich die Akten über ihn beim FBI drei Fuß hoch
gestapelt haben, so Ginsberg selbst. In einem Memorandum von Hoover wurde
Ginsberg gar als Gefahr für den amerikanischen Präsidenten
bezeichnet. Während der ersten Dienstzeit von Ronald Reagan wurde eine
Liste mit Personen erstellt, die von Bundesorganisationen im Ausland nicht als
Redner eingeladen werden sollten. Allen Ginsberg war auf dieser, nur 8 Namen
umfassenden Liste.
Ginsbergs Texte sind Gesänge, Litaneien, form- und traditionslos
wirkende ekstatische Verse mit feinem Gespür für Rhythmik und Metrum, die
Ginsberg bei seinem Vorbild Walt Whitman
gelernt hatte. Visionäre Prophetien, endlose Kaskaden von Reflexionen und
Blasphemien. Ein wahre Bilderflut hektischer Impressionen und Momentaufnahmen
voll konkreter Details, Zitate und Anspielungen. Seine Inhalte sind die
Schönheit des Alltäglichen, seine Erfahrungen aus sexuellen
Erkundungen und politisch wachem Aufgebehren. Privates, Intimes ist eins mit
der kritischen Auseinandersetzung mit der US-amerikanischen Wirklichkeit. Seine
Themen und Thesen brachten ihm nicht unbedingt das Wohlwollen der
amerikanischen Öffentlichkeit und vor allem der amerikanischen Medien
ein. Teilweise wurden seine Texte von Radiostationen auf den Index gesetzt.
Ginsberg: "Es sollte keinen Unterschied geben zwischen dem, was wir
niederschreiben und dem, was wir wirklich wissen, so wie wir es jeden Tag
miteinander erfahren. Und die Heuchelei der Literatur hat ein Ende."
Er wurde am 3.6.1926 in Newark im US-Bundesstaat New York geboren. Seine
Mutter litt an Paranoia, was seine Jugend nicht gerade einfach machte. Er
studierte Jura an der Columbia University, wechselte später das Fach zu
Literatur. Allerdings verbrachte er wohl die meiste Zeit in einem wilden
Freundeskreis, in dem Drogen, Kriminalität und wilder Sex genauso
gehuldigt wurden wie der Literatur. Er erhält schon während des Studiums
einen angesehenen Lyrikpreis. Angesichts des Treibens in seinem Freundeskreis
ist es aber nicht sonderlich verwunderlich, dass er von der Uni verwiesen
wurde. Er blieb in New York, tauchte gleichermaßen in die Drogen und die
Schwulenszene ein. Das hätte leicht ein böses Ende nehmen können,
aber 1948 hatte er eine Vision und erklärte, er habe zu Gott gefunden. Als
etliche aus seinem Freundeskreis dann auch noch verhaftet wurden, kehrte er zu
einem übermäßig normalen Leben zurück. Er erklärte
sich für Heterosexuell und nahm eine Stelle im Marketing an. Das änderte
sich aber bald wieder. Er traf Carl Solomon im Warteraum einer
Psychiatrie. Darüber fand er Zugang zu einigen New Yorker Autoren. Er
selbst hatte schon einiges geschrieben, aber kaum veröffentlicht. 1955
vollführte er eine aufsehenerregende Lesung seines Buchs "Howl",
nach der sich das dann auch ändern sollte.
Ginsberg wurde berühmt, salonfähig, aber nicht bequem. Er wurde
aus Kuba und aus Prag rausgeschmissen, sorgte für Aufregung in Indien und
war ein steter Dorn im Fleisch der amerikanischen Rechten, insbesondere
während des Vietnamkriegs.
Er starb am 5.4.1997 in New York City.