
Persönlichkeiten von schwulem Interesse
Der Alte Fritz
Helmut
Daß noch vor hundert Jahren Schwule ihre Homosexualität
kaum offen ausleben konnten, dürfte ja bekannt sein. Wie aber
erging es den Großen und Mächtigen, den Kaisern, Königen und
Kurfürsten? Heute möchte ich einmal einen Blick auf einige
schwule Vertreter der Familie der Hohenzollern werfen.
Wohl der bekannteste Hohenzoller ist Friedrich der Zweite, auch als
"der alte Fritz" oder Friedrich der Große
bekannt. Über seine sexuelle Orientierung kursierten allerlei
Gerüchte. Klar ist, dass sein Vater Friedrich Wilhelm I die
musischen und literarischen Neigungen seinen Sohns mit aller Gewalt
unterdrücken wollte. Für den Soldatenkönig war
Friedrich ein effeminierter Kerl, und das war nicht akzeptabel. 18
jährig versuchte Friedrich auszubrechen. Zusammen mit seinem
Freund Hans Hermann von Katte versuchte er nach England zu
fliehen. Katte hatte dort eine einflußreiche Tante, die den
Zugang zum englischen Hof ermöglichen wollte. Zunächst
wollte Katte nichts davon wissen. Schließlich floh er aber doch
mit Friedrich. Hinter Heilbronn wurden die beiden von
preußischen Soldaten aufgegriffen. Katte wurde von einem
Kriegsgericht wegen Fahnenflucht zu lebenslanger Haft verurteilt. Der
Friedrich Wilhelm I verurteilte ihn aber zum Tode. Am 6.11.1730 wurde
Katte hingerichtet. Und sein Freund Friedrich mußte die Hinrichtung
mit ansehen.
Friedrich selbst mußte die Welfenprinzessin Elisabeth Christine von
Braunschweig-Lüneburg-Bevern heiraten. Daß es sich dabei kaum um
eine Liebesheirat handelte, sieht man auch daran, daß Friedrich nach dem
Tod seines Vaters seine Frau auf ein anderes Schloß abschob. Ein
zumindest platonisches Verhältnis hatte Friedrich der Große zu seinem
Vorleser und Sekretär Claude Etienne Darget, auch Lucine
genannt. Friedrich gedachte ihm in seinem frivol lästerlichen Poem
Palladion eine Hauptrolle zu, wobei er unverhohlen auf die
gleichgeschlechtlichen Neigungen seines Freundes anspielte. Die
Homosexualität Friedrichs des Großen war am Hof ein offenes
Geheimnis. Einem Neffen rät Friedrich, passiven Analverkehr zu meiden, da
er aus persönlicher Erfahrung wisse, daß dies wenig angenehm
sei. Voltaire verspottete ab 1753 Friedrich systematisch als Päderast und
Homosexueller. In Anspielung auf das französische Wort für Arsch,
"cul", erfand Voltaire den Spottnamen Luc für Friedrich den
Großen. Er schilderte auch genüßlich die angeblichen
Morgenrituale Friedrichs: "Er ließ zwei oder drei Favoriten kommen,
Leutnants aus seinem Regiment oder Pagen, Heiduken oder junge Kadetten. Man
trank Kaffee. Derjenige, der das Taschentuch zugeworfen bekam, blieb eine halbe
Viertelstunde mit dem König allein."
Es wird auch die Anekdote erzählt, daß Friedrich II in einem
Tempel seines Bruders Heinrich die letzten beiden Buchstaben der Inschrift
"testimonium grati animi" entfernt haben soll und so aus
"Zeugnis einer dankbaren Seele" ein "Zeugnis eines dankbaren
Arsches" gemacht haben.
Heinrich war übrigens auch schwul. Genau wie sein großer Bruder
Friedrich mußte auch er aus Staatsräson heiraten. Und genau wie er
trennte er sich bald von seiner Frau, brach sogar jeden Kontakt mit ihr
ab. Eine Reihe von Männern wird als Liebhaber des Prinzen Heinrich
genannt: der Lakai Brederic, Major Kaphengst, Reichsfreiherr zu Innhausen, der
sogenannte schöne Knyphausen, der Cellist Mara. Es hieß, das
Regiment des Prinzen sei von "Päderasten" durchsetzt.
Einige Generationen später stand Wilhelm II dem Hause Hohenzollern
vor. Auch dem letzten deutschen Kaiser werden homosexuelle Neigungen
nachgesagt. Seine Ehe, aus der sieben Kinder hervorgingen, war angeblich nicht
glücklich. Auch bei anderen Frauen, vor allem österreichischen
Prosituierten, fan er keine Erfüllung. Dafür fand er Nähe zu Philipp
zu Eulenburg, von Moltke und Friedrich Alfred Krupps. Anfang des Jahrhunderts
wurde während des Eulenburg-Prozesses dann der Eindruck erweckt, der
Kaiser bilde das Zentrum eines antidemokratischen homosexuellen
Verschwörerkreises. Er leistete dem auch noch Vorschub, indem er alle
homosexuellen Vorkommnisse so lange wie möglich zu vertuschen suchte. Die
offensichtlich vorhandene homosexuelle Neigung unterdrückte der Kaiser,
anders als seine Freunde um Eulenburg, vollständig.
Sein Sohn Eitel Friedrich, genannt Eitelfritz, wurde vom Kaiser wegen seines
unmännlichen Wesen gehänselt. 1904, Eitelfritz war damals 21 Jahre
alt, streute Adolf Brand Gerüchte über die Homosexualität des
Prinzens. Laut Polizeikommissar von Tresckow waren die Beziehungen des Prinzen
zu Soldaten in Offizierskreisen und am Hof ein offenes Geheimnis
gewesen. Eitelfritz wurde 1907 aller Würden entkleidet und vom Hof
entfernt. Er spielte 1938 wieder eine Rolle, als die SS aus Eitelfritz
Geständnisse über intime Kontakte zu Genral von Fritsch erpressen
wollte.