Persönlichkeiten von schwulem Interesse
Alan Turing
Helmut
Der heutige Mann des Monats ist Alan Turing. Alan Turing wird als
einer der Väter des Computerzeitalters und der künstlichen
Intelligenz angesehen. Die Turing Maschine als Prototyp des
universalen Computers und der Turing Test als Lackmustest für die
Intelligenz von Maschinen ist sicher jedem bekannt, der sich etwas mit
der Informatik beschäftigt hat. Einem weiteren Kreis wurde Alan
Turing als der Mann bekannt, der im 2. Weltkrieg das
Verschlüsselungssystem der deutschen Armee, die Enigma, geknackt
hat. Dadurch hat er einen wichtigen Beitrag zum Sieg der Alliierten
geleistet und taucht auch in den Geschichtsbüchern auf.
Geboren wurde Alan Turing am 23. Juni 1912 in London. Sein Vater war
Beamter in der indischen Kolonialverwaltung. Da sich seine Eltern
somit in Indien aufhielten, wohin sie Alan nicht mitnehmen wollten,
wuchs er bis 1926 in verschiedenen Kinderheimen in England auf. 1926
kehrten seine Eltern aus Indien nach England zurück und nahmen
Alan wieder zu sich. Alan zeigte schon früh Interesse an
wissenschaftlichen Fragestellungen. Dieses Interesse wurden von seinen
Lehrern nicht gefördert. Der Rektor der Sherborne School sah das
ganz einfach: "Wenn er ein reiner Wissenschaftler werden will, so
vergeudet er seine Zeit an der staatlichen Schule".
1932 ging er dann zum King´s College in Cambridge. In der
freieren Gedankenwelt des King´s College konnte er seine
Begeisterung für die Mathematik pflegen. Die Jahre vor dem zweiten
Weltkrieg waren natürlich auch politisch brisant. Alan Turing
hatte Kontakte zur britischen Anti-Kriegs Bewegung, etwa über
seinen Liebhaber James Atkins. Er blieb aber politisch
gemäßigt und hing keinen marxistischen oder extrem
pazifistischen Ideologien nach. Das zeigt sich auch darin, dass er
schon bald nach seiner Zeit im College anfing, für die
Codeknacker beim britischen Geheimdienst zu arbeiten.
Aber zunächst absolvierte Alan Turing das College mit Bravour und
erhielt einige Preise und Auszeichnungen. Im King´s College
begann Turing sich auch mit der Frage der Vollständigkeit der
Logik und dem sogenannten Entscheidungsproblem zu
beschäftigen. 1936 präsentierte er in der Arbeit "On
Computable Numbers with an application to the
Entscheidungsproblem" seine Lösung: die Turing Maschine, ein
theoretisches Computermodell. Mit nur 24 Jahren hatte er sich damit
einen Platz in den Analen der Mathematik gesichert. Obwohl der
Amerikaner Church ihm mit einer anderen Lösung zum gleichen
Problem nur um wenige Wochen zuvorkam.
Von 1936 bis 1938 war Turing an der Princeton university, kehrte dann
aber wieder nach Cambridge zurück. Neben seiner Arbeit als
Logiker und Zahlentheoretiker arbeitete er dann auch für die
britische Regierung. Die Government Code and Cypher School versuchte
sich, zunächst erfolglos, am brechen des deutschen Enigma
Codes. Die Gruppe war von Geisteswissenschaftlern dominiert, und Alan
Turing brachte mit seinen Erfahrungen aus der Mathematik und
Informationstheorie neue Ansätze ein. Mit dem Eintritt
Grossbritanniens in den 2. Weltkrieg fing dann Turing an, Vollzeit an
der Code-Dechiffrierung im britischen Kryptographiezentrum Bletchley
Park zu arbeiten. Es gelang Turings Team schließlich ab 1940,
die Funksprüche der deutschen Luftwaffe regelmäßig zu
entschlüsseln. Die schwierigere Verschlüsselung der
deutschen Kriegsmarine brach Turing in Einzelfällen ebenfalls
bereits 1939, die Nachrichten konnten aber erst ab 1941
zuverlässig decodiert werden. Damit wendete sich das Blatt im
U-Boot Krieg zugunsten der Alliierten. Während durch die
deutschen U-Boote bis dahin die strategisch wichtigen Nachschubwege
über den Atlantik höchst gefährlich waren, eroberten
die Alliierten nun die Seehoheit zurück. Dies änderte sich
kurzfristig, als die Verschlüsselung durch die Deutschen
verbessert wurde. Ab 1943 aber konnten die U-Boot Meldungen wieder
zuverlässig decodiert werden.
Während seiner Zeit in Bletchley Park kam Turing dem Stereotyp
eines weltfremden Forschers recht nahe. Er war schäbig angezogen,
war bekannt dafür, sich selbst mitten im Satz zu unterbrechen und
hatte angeblich merkwürdige Manieren. Und wie man das von einem
weltfremden Forscher erwartet, arbeitete er unermüdlich rund um
die Uhr. Einer seiner Studentinnen ,Joan Clarke, machte er
schließlich einen Heiratsantrag, den sie akzeptierte. Dann fiel ihm
aber doch noch ein, dass er ja eigentlich auf Männer steht. Er
erzählte von Joan Clarke von seiner Homosexualtität und zog
seinen Heiratsantrag zurück.
Getrieben von seiner theoretischen Arbeit über die Turing Maschine und
von seiner praktischen Arbeit mit Rechenmaschinen zum Dechiffrieren der
deutschen Codes wandte sich Turing der Konstruktion einer intelligenten
Maschine zu. Wieder kamen ihm andere zuvor. Dieses mal war es von Neumann mit
seinem Plan eines elektronischen Computers. Aber durch dieses
Konkurrenzprojekt wurde auch für Alan Turing die nötigen Mittel
bereitgestellt. Wieder nahm Turings Vision vieles der modernen Computer
voraus. So sollte Turings Rechner universell programmierbar sein und die
verschiedensten Probleme lösen können. Auch stellte er sich ein
zentrales Rechenzentrum mit peripheren Terminals vor. Allerdings kam die
Realisierung seiner Rechenmaschine nicht so richtig voran. Andere
Forschungsteams waren schließlich schneller als Turing.
Die Vielseitigkeit von Alan Turing zeigte sich nicht nur auf
beruflichem Gebiet. Er war begeisterter Langstreckenläufer, und
wäre beinahe zur Olympiade 1948 nominiert wurden. Daraus wurde
aber wegen einer Verletzung nichts.
Turing ging schließlich nach Cambridge zurück. Mit dieser
Rückkehr einher ging ein Wandel in seinem Umgang mit seiner
Homosexualität. Auch früher hat Turing seine sexuelle
Orientierung nie verheimlicht. Mit seiner Rückkehr nach Cambridge
pflegte er aber einen deutlich offeneren Lebensstil ohne
Rücksicht auf Sicherheit oder Angepasstheit. Er fand dann auch
einen neuen Liebhaber, Neville Johnson. Dieser war ein Student des
King´s College, so wie früher auch Turing selbst.
1948 ging Turing schließlich nach Manchester. Dort kam es 1952
zum Eklat Turing wurde wegen seiner Beziehung zu einem Mann aus
Manchester 1952 verhaftet und angeklagt. Er blieb sich und seinem
offenen Umgang mit der Homosexualität treu: Bei seiner
Verhandlung unternahm er keinen Versuch, sich zu verteidigen sondern
machte deutlich, dass er in seinen Handlungen nichts verwerfliches
sah. Um dem Gefängnis zu entgehen akzeptierte er eine
einjährige Hormonbehandlung mit Östrogenen. Die sollten
seinen Sexualtrieb zu unterdrücken. Daraufhin konnte er seine
Arbeit in Manchester wieder aufnehmen. Seine geheime Arbeit für
Bletchley Park konnte er aber als polizeibekannter Homosexueller nicht
fortsetzen. Der Mann, der maßgeblich an den Erfolgen der britischen
Dechiffrierdienste im 2. Weltkrieg beteiligt war, wurde als
Sicherheitsrisiko eingestuft, weil er Männer liebte. Turing
beklagte sich bitterlich darüber, musste den Ausschluss aber
akzeptieren.
Am 8. Juni 1954 wurde er von seiner Putzfrau Tod aufgefunden, mit einem mit
Zyanid vergifteten, angegessenen Apfel in der Hand. Seine Mutter glaubte an
einen Unfall, da Alan viel mit Zyaniden arbeitete und vielleicht nur vergessen
hat, seine Hände gründlich zu waschen. Praktisch alle anderen glauben
an Selbstmord, was auch die offizielle Todesursache war. Es gibt zwar keinen
Abschiedsbrief, aber die Annahme, dass die Hormontherapie Auslöser des
Selbstmords war, ist weit verbreitet. Alan Turing soll dadurch impotent
geworden sein und ihm wuchsen angeblich weibliche Brüste. Dies habe
Turing so sehr belastet und deprimiert, dass er in den Freitod ging.