San Francisco
Helmut
Geschichte
Sommerzeit - Urlaubszeit. Auch mich hat das Fernweh ergriffen. Und
wenn schon kein Urlaub in Sicht ist, so will ich wenigstens ein
bißchen davon träumen, indem ich von San Franzisko
erzähle. Ich fange mal mit einer kurzen Übersicht über
die Geschichte an.
1848 war San Franzisko noch ein verschlafenes Nest mit gerade mal 900
Einwohnern. Dann fand man in Kalifornien Gold. Damit begann dann der
legendäre Goldrausch. Aus allen vier Himmelsrichtungen
strömten Menschen nach Kalifornien. In nur zwei Jahren
explodierte San Franzisko förmlich auf fünfzigtausend
Einwohner.
Später war dann San Franzisko das Einfalltor für Einwanderer
an der Westküste. genauso wie zahlreiche Einwanderer durch Ellis
Island bei New York ankamen, so kamen sie auch durch Angel Island in
San Franzisko in das gelobte Land USA.
Dieser stete Zustrom liess San Franzisko auf rund siebenhunderttausend
Einwohner 1990 anwachsen. Wenn man die angrenzenden Städte der
San Francisco Bay Area mitrechnet, so kommt man gar auf mehrere
Millionen Einwohner. Und in der San Francisco Bay Area merkt man meist
nur am Ortsschild, daß man von einer Stadt in die andere
fährt.
Das Wachstum von San Francisco wurde auch nicht von dem großen
Erdbeben 1906 unterbrochen, bei dem große Teile der Stadt in
Schutt und Asche fielen. Und wenn man sich heute in San Francisco
umsieht, so sieht man noch stellenweise mitten in der Luft abbrechende
Highways, Reste des letzten groößeren Erdbebens 1989.
Das Ergebnis war ein buntes Gemisch aus verschiedensten
Nationalitäten. Ein Musterbeispiel für den Melting Pot
USA. Noch heute ist fast jeder zweite entweder ein Einwanderer oder
das Kind eines Einwanderers. Es gibt Zeitungen in dreizehn Sprachen
und die typischen Viertel amerikanischer Städte: Little Italy,
Chinatown, Japantown etc.
Dieses Durcheinander mag dazu beigetragen haben, daß San
Franzisko heute eine der tolerantesten Städte der Vereinigten
Staaten ist.
In diesem Klima gedeiht auch eine ansehliche schwule
Szene. Geschätzt werden hunderttausend Schwule und Lesben. Wie
gesagt, bei insgesamt rund 700000 Einwohnern. In den sechziger Jahren
warnte die Polizei gar vor den damals schätzungsweise
siebzigtausend Schwulen und Lesben. Man kann sich denken, daß
diese Warnung nicht bei allen abschreckend gewirkt hat.
Tourismus
San Franzisko ist sicher immer eine Reise Wert. Die bekanntesten
Sehenswürdigkeiten sind sicherlich die Golden Gate Bridge und die
Cable Cars. Die Cable Cars waren früher einmal ein wichtiges
Verkehrsmittel in San Franzisko. Nach dem Erdbeben 1906 wurden aber
nur drei Linien wieder hergerichtet, und diese auch mehr aus
nostalgischen und touristischen Gründen. Aber natuerlich
muß man mal mit den Cable cars gefahren sein. Zur Golden Gate
Bridge ist zu sagen, daß sie auch einen Fußweg hat, man
sich das ganze also wirklich ganz aus der Nähe und in Ruhe
ansehen kann.
Vergessen darf man auch nicht The Rock. Ein Blick in das alte
Hochsicherheitsgefängnis Alcatraz ist schon was besonderes. Auf
dem Weg dahin kann man auch mal Fisherman's Warf ertragen, meiner
Meinung nach eine ganz schlimme Touristenfalle.
Und auch die Umgebung hat einiges zu bieten. Da gibt es die Redwoods
vom Muir woords national monument. Das sind Mamutbäume, zwar
nicht die größten der Welt, die stehen etwas weiter
südöstlich im sequia national park bzw. weiter
nördlich im Redwood national park, aber doch beeindruckend. Oder
die 'Künstlerkommune' Sausalito. Oder Monterey, was Star Trek
fans von Star Trek IV kennen. Oder auch Hearst Castle, dem Wohnort des
Mannes, der Orson Wells als Vorlage fuer Citizen Kane diente. Oder
auch eine der angeblich schönsten Strassen Amerikas, dem
California Highway No.1 entlang der Küste.
Eine weiteres Muss ist das Castro Theater in der Castro Street. Und
damit sind wir endlich wieder bei schwulen Sights angekommen. Denn die
Castro Street ist das Zentrum des schwulen Ghettos in San
Franzisko. Das Castro Theater ist ein Kino dort. Aber kein 08/15
Multiplex. Viel besser beschreibt es das etwas altmodische Wort
Filmtheater. Es ist architektonisch wie ein Theater aufgebaut, mit
Empore und (allerdings nur angedeuteten) Logen. Auf einer eingebauten
Kirchenorgel wird anstelle der Werbung Musik gespielt. Und mit etwas
Glück gibt es ein sehr lustiges und enthusiastisches Publikum.
Natürlich ist das Castro Theater ein typisches Programmkino mit einem
Schwerpunkt auf schwulen Filmen.
The Castro
San Franzisko ist eines der schwulen Zentren der USA. Und das schwule
Zentrum von San Franzisko ist das Castro. Über diesen Stadtteil
steht in meinem Reiseführer recht treffend: "You can go days
without bumping into a straight person". Hin und wieder verirren sich
zwar schon ein paar Hetero Touristen in dieses schwule Ghetto, aber im
großen und ganzen stimmt das schon. Gerade dieser schwule
Mikrokosmos hat mich bei meinem ersten Besuch dort besonders
beeindruckt. Immerhin war für mich Landei San Franzisko die erste
schwule Metropole. Allein schon die Ankunft war etwas besonderes. Ich
bin mit meinem Mietwagen die Marketstreet entlang gefahren. Für
Karlsruher: das würde ungefähr der Kriegstrasse in Karlsruhe
entsprechen. Nun ist San Franzisko ja etwas hügelig und
plötzlich gab dann der Hügel (für San Franziskoer
Verhältnisse eher eine Bodenwelle) den Blick frei auf eine
riesige Regenbogenflagge, die direkt auf der Strasse zu stehen
schien. Es ist die größte Regenbogenflagge der Welt, die
ständig an der Ecke Castro and Market weht. Rund um diese Ecke
ist dann wirklich alles schwul. Die Bars und Kneipen sowieso, aber
auch die Buch- und Kleiderläden. Im Hardwarestore werden
Regenbogenflaggen und Anstecker verkauft und der Telefonladen spendet
an die AIDS Hilfe. Und natürlich die Menschen. Es ist ein
bißchen, als hätte man das Publikum des MS Connexion ans
Tageslicht gezerrt. Schwule Pärchen, Lederkerle und
natürlich die 08/15 Tucke in engen Jeans und Lycra Hemdchen. Bei
meinem ersten Besuch war dies ein richtig berauschendes Gefuehl. Das
hat mittlerweile nachgelassen, aber ich tauche immer noch mal wieder
gerne in diesen schwulen Mikrokosmos ein. Und als schwule Stadt
fällt mir immer nur San Franzisko ein. Sicher, in Key West hingen
in der Einkaufsstraße fast überall Regenbogenflaggen.
Klar, in Miami Beach war die geileren Männer. Und im Happy Valley
von Massachussetts ist Schwul sein unglaublich normal. Aber The Castro
fühlt sich einfach am schwulsten an.
Außerhalb San Franziskos übernimmt allerdings schnell
wieder die amerikanische Prüderie die Regie. Beispielsweise San
Jose. Für diese Stadt am anderen Ende der San Franzisko Bay Area
wartet mein Spartakus nur mit 11 Einträgen auf. Zum Vergleich:
Karlsruhe hat mehr als drei mal soviele. Dabei hat San Jose mehr
Einwohner als San Franzisko. Und es ist keineswegs so, daß der
Spartakus hier eine Lücke hat. Auch im Oblivion, so eine Art GAB
fuer die San Franzisko Bay Area, zeigt sich die Gay Scene
außerhalb von San Franzisko ziemlich mager. Dies hat mir auch
Roger bestätigt, der immerhin schon ein paar Jahre in San
Franzisko lebt. San Franzisko ist eine schwule Insel in einer Hetero
Welt.
Die schwule Szene, Teil I
Wie gesagt bildet das Castro das schwule Zentrum San
Franziskos. Über ganz San Franzisko verteilt gibt es schwule
Bars, Restaurants, Kneipen, Läden. Aber die höchste
Konzentration findet man rund um Castro und Market. Die Qualität
entspricht nicht ganz der Quantität und ist eher
mittelmäßig. Trotzdem finde ich die Gegend sehr
schön, um abends auszugehen. Es ist hier nämlich auch bis
zur Sperrstunde noch sehr belebt. Und damit relativ sicher. Wie jede
amerikanische Großstadt sollte man einsame, unbekannte Gegenden
meiden. Und das kann auf dem Weg in die Disko schon mal schwierig
werden. Aber dazu später. Auf jeden Fall war im Castro mein
subjektives Sicherheitsgefühl immer recht angenehm.
Mein Favorit im Castro ist das "The Cafe". Auch weil ich da schon mit
ein paar Maennern ins Gespräch gekommen bin. Und auch etwas mehr
als Gespräche. Das The Cafe war auch mal in die Schlagzeilen
geraten. Es wurde wegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen
Orientierung angeklagt. Ein Hetero Paar hat sich im Eingang
geküßt und wurde aus dem Lokal verwiesen. Die anderen
Gaeste würden sich daran stören. Sicher eine berechtigte
Klage, aber es passt irgendwie zum Castro. Historisch bemerkenswert
ist vielleicht noch das Twin Peaks, die erste Schwulenbar in Amerika
mit offen einsehbaren Fenstern im Erdgeschoss. Was ich durch diese
Fenster gesehen habe, hat mich allerdings nicht
hineingelockt. Ansonsten gibt es Bars für Leder, für
Bären, mit und ohne Tanzfläche, mit und ohne Sex, und einmal
bin ich vor Verrückten geflüchtet, die tatsaechlich dachten,
sie müssten jetzt Karaoke singen. Also reichlich Abwechslung auf
einem Überschaubaren und leicht erlaufbaren Gebiet.
Die schwule Szene - Teil II
Irgendwann zwischen Mitternacht und eins stirbt Castro and Market
aus. Schuld ist die Sperrstunde, und der Mangel an Diskotheken, oder
Clubs. Clubs kommen und gehen, und vielleicht ist in den letzten paar
Monaten wieder alles anders geworden. Aber alle Clubs, die mir in bei
den letzten beiden Besuchen empfohlen wurden, lagen in SoMa, oder
South of Market. Das ist ein ehemaliges, heruntergekommenes
Industrieviertel. Es ist nachts immer noch besonders ausgestorben,
ausgenommen direkt rund um die Clubs. Ich habe dort immer ein etwas
beklemmendes Gefuehl. Aber eigentlich ist das Viertel mittlerweile ein
ziemlich gutes Wohngebiet. Zuerst haben Künstler die
Fabrikgebäude als Ateliers entdeckt, und jetzt werden diese von
Luxuslofts für Juppies verdraengt. Tja, und dort liegen eben auch
viele Clubs. Die Szene ist sehr vielfältig. Amerikaner teilen
sich ja gerne in einzelne Grüppchen auf. In Middle class und
upper class. In african american, white anglo saxon protestant and
hispanics. Und die Schwulen machen da keine Ausnahme. In meinem severe
queer review finde ich Clubs speziell für Afro-Amerikaner,
Asiaten, Latinos, Leder, Drag, Stricher usw. Oh, und für Lesben
auch. Am besten gefiel mir der Club Universe, der sich an ein eher
breit gemischtes schwules Publikum wendete. Aber das kann sich ja
schnell ändern, und es gibt mehr Clubs als man wahrscheinlich
ausprobieren kann.
Aber wenn man nur Party machen will, ist San Franzisko vielleicht der
falsche Platz. Die Männer sind meiner Meinung nach geradezu
enttäuschender Durchschnitt. Der Körperkult ist deutlich
geringer ausgeprägt als etwa in Miami. In Miami Beach wusste ich
nicht, wo ich zuerst hinschauen soll. Und in San Franzisko habe ich
stundenlang den Passanten zugesehen und gerademal ein paar geile Type
darunter entdeckt. Auch die Szene ist vielfältig, aber nicht
üppig. Auf die Frage, wo man denn so am besten hingeht, erhielt
ich auch in San Franzisko eine Antwort, die mit bekannt vorkam: "Also
am Montag ins ..., am Dienstag ins..., am Mittwoch ins...". Für
jeden Tag eine, maximal zwei Locations.
San Franzisko ist auch weniger als Laufsteg der Jungen und
Schönen bekannt. San Franzisko zählt eher als Zentrum der
Bewegungsschwestern. Bereits in den 50er Jahren wurden die ersten
schwulen und lesbischen Gruppen und Organisationen
gegründet. Hier in Deutschland war zu dieser Zeit die einst
blühende Schwulenbewegung ja noch aus dem Dritten Reich
zerschlagen. San Franzisko hatte seitdem eine auch politisch sehr
sichtbare Gay community mit schwulen Stadträten und
Commissionern. Mit der Regenbogenflagge wurde 1978 das wohl
bekannteste schwule Symbol in San Franzisko erfunden. Aber auch AIDS
hat seine Spuren hinterlassen. Noch heute wird geschätzt,
daß jeder zweite schwule in San Franzisko HIV+ ist. So ist denn
auch eines der bekanntesten und größten AIDS-Memorial
Projekte in San Franzisko zu Hause: Das Names Project. Dieses Projekt
erstellt und verwaltet den AIDS Memorial Quilt. Das ist ein Patchwork
Teppich. Jeder Flecken erinnert an einen bestimmten AIDS Toten. Und es
sind zuviele Flecken.
Abschluss
Über San Franzisko könnte ich noch lange weiter
erzählen, aber ich will es mal nicht übertreiben. Noch ein
paar Kleinigkeiten zum Abschluß. Zimmer in San Franzisko sind
nicht gerade billig, und Parkplätze kaum zu
finden. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es zwar, aber gerade wenn
man abends in die Disko will, hilft einem das nicht viel weiter. Da
braucht man dann entweder einen Mietwagen oder ein
Taxi. Übernachten kann man auch günstig in den
Jugendherbergen. Die eine liegt in der Naehe des Union square und
damit zentral in der Stadtmitte, nahe der großen Kaufhäuser
und der Cable Cars. Allerdings gibt es keine Parkplätze und nach
Ladenschluß ist die Gegend doch eher mit zwielichtigen Gestalten
bevölkert. Die zweite Jugendherberge liegt malerisch im Fort
Mason. Inklusive Blick auf die Golde Gate Bridge. Hier gibt es auch
recht günstige Parkplätze. Dafür mußte ich dort
doch tatsächlich die Kueche fegen. Und das mir.
Meiner Meinung nach ist die beste Reisezeit im Frühjahr oder
Herbst. Die Jahreszeiten sind in San Franzisko relativ schwach
ausgeprägt. Es gibt milde Winter und kühle Sommer. Wie Mark
Twain sagte: "The coldest winter I ever spent was a summer in San
Francisco". Es gibt auch schöne Strände zum sehen und
gesehen werden, aber das Wasser war mir Warmduscher dann doch viel zu
eisig. Immer.
Und zum Abschluß habe ich noch den Veranstaltungskalender mit
den wichtigsten regelmäßigen schwulen Events. Es ist
natürlich nicht gesagt, daß jedes Fest auch das
nächste mal zu dieser Zeit stattfindet, also alle ohne
Gewähr.
letzter Sonntag im Juni: |
SF Freedom day parade (gay pride day) |
erster sonntag im August: |
Dore Alley Fair: Strassenfest der Lederszene, Kleidung optional |
letzte Sonntag im September: |
Folsom Street Fair: Abschluss der jaehrlichen Lederwoche |
erster Sonntag im Oktober: |
Castro Strassenfest |
31.10 |
Halloween |
Quellen: |
Betty & Pansy's sever queer review, Spartakus 98/99
Frommer's comprehensive travel guide USA,
Meine Erinnerungen.
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