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Schwule bei der Bundeswehr

Helmut

Der 29 jährige Winfried Stecher konnte eigentlich ganz zufrieden sein. Sein Beruf als Ausbilder bei der Bundeswehr war für ihn gleichzeitig Herausforderung und Erfüllung. Seine Vorgesetzten und seine Untergebenen haben ihn geschätzt. Er wurde gar als Vorzeigesoldat bezeichnet. Alles aus und vorbei. Ein Vorgesetzter fragte Stecher, ob er homsexuell sei. Sein "Jawohl" kam in die Personalakte und Stecher in die Schreibstube.

Aus Sicht der Bundeswehr sind Schwule gleich doppelt gefährlich: Halten sie ihre sexuelle Orientierung geheim, gelten sie als erpreßbar und werden damit zum Sicherheitsrisiko. Machen sie ihre Homosexualität jedoch öffentlich, verlieren sie angeblich den Respekt ihrer Untergebenen und sind deshalb für Führungsaufgeben ungeeignet.

Immer wieder werden deshalb schwule Soldaten versetzt oder entlassen. Einer der bekanntesten Fälle dürfte der General Kießling sein: Als 1983 der Verdacht aufkommt, der Bundeswehr-General Kießling sei homosexuell, stufte ihn Verteidigungsminister Manfred Wörner als "Sicherheitsrisiko" ein und entließ ihn. In der folgenden Hexenjagd verhörte Wörner persönlich obskure Zeugen aus der Kölner Szene, und ließ prüfen, ob Kießling das Duschen der Soldaten beaufsichtigt habe. Am Ende wird aber nichts konkretes gefunden.

Ein anderes Beispiel ist der Oberfeldwebel Werner Buzan. Nach acht Jahren bei der Bundeswehr wollte Buzan Berufssoldat werden. Eigentlich hatte er die Stelle schon. Dann fand der MAD aber bei der routinemäßigen Sicherheitsüberprüfung heraus, daß Buzan schwul ist. Und prompt war er als Berufssoldat ungeeignet. Buzan klagte dagegen beim Verwaltungsgericht Lüneburg. Und bekam Recht. Das Verteidigungministerium will diese Urteil jedoch nicht akzeptieren und alle Rechtsmittel dagegen ausschöpfen.

Auch Winfried Stecher ist vor Gericht gezogen. Zunächst klagte er erfolglose beim Bundesverwaltungsgericht. Dann reichte er eine Verfassungbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Außerdem beantragte er den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, die Ihn auf seinen alten Posten zurückbringen würde. Aber auch dieser Antrag wurde abgelehnt, da er eine Ausbildung vorgezogen hat. Normalerweise steht die am Ende der Dienstzeit, aber Stecher wollte die Zeit eben sinnvoll nutzen. Nun sieht das BVG deswegen keine Eile mehr geboten. Das stellt keine Vorentscheidung für die eigenliche Verfassungsbeschwerde dar. Es ist aber noch nicht bekannt, wann die Verfassungsbeschwerde verhandelt wird. Stecher bekam dadurch einiges an Publizität und die Reaktionen der Beteiligten waren teilweise recht interessant.

Die interessanteste Reaktion auf den Fall Stecher dürfte aus dem Verteidigungsministerium kommen. Der Grüne Jürgen Trittin hat zu dem Fall Stecher einen Briefwechsel mit Rudolph Scharping initiert. Trittin erinnert Scharping dabei daran, daß die Koalition Minderheiten schützen und ihre Gleichberechtigung erreichen wollte. Rudolf Scharpings Antwort spricht eine deutliche Sprache. Er schreibt wörtlich: "Homosexualität begründet erhebliche Zweifel an der Eignung und schließt eine Verwendung in solchen Funktionen aus, die an Führung, Erziehung und Ausbildung von Soldaten gebunden ist". Wenn bekannt wird, daß ein Vorgesetzter schwul ist, könne dies die Autorität erschüttern und gar die Einsatzbereitschaft der Truppe schwächen. Scharping hat auch volkstümlichere Formulierungen parat: "Würden Sie Ihre Tochter in ein Ferienlager schicken, in dem die männlichen Betreuer mit den Mädchen in einem Zelt schlafen?" Allerdings liefert Scharping keinerlei Belege für seine Behauptungen.

Schwule eignen sich nicht als Vorgesetzte - dieses Vorurteil ist durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgericht gedeckt. Dieses hat geurteilt, daß die "Homosexuelle Veranlagung eines Zeit- oder Berufssoldaten Einschränkungen seiner Eignung und Verwendungsfähigkeit mit sich bringt. Schwule würden sich nicht als Vorgesetzte eignen. Das Bekanntwerden der Homosexualität mindere die dienstliche Autorität des Vorgesetzten. In der Bundeswehr können nach Ansicht des Gerichts homosexuelle Neigungen auch deswegen nicht geduldet werden, weil sie "zu Absonderung und Gruppenbildung, zu Eifersucht und gegenseitigem Mißtrauen führen und damit die soldatische Gemeinschaft sprengen".

Scharping sieht deshalb auch keine Diskriminierung Stechers. Auf eine Anfrage der Abgeordneten Christina Schenk antwortet das Verteidigungsministerium unter anderem: Die Position des Bundesministeriums der Verteidigung gegenüber homosexuellen Soldaten in Führungs-, Erziehungs- und Ausbildungsfunktionen orientiert sich an den Erfordernissen der Streitkräfte. Sie wird durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt und stellt keine Diskriminierung dar. Stecher hat in einem offenen Brief an Bundeskanzler Schröder diese Politik angeprangert. Aber dieser hat sich mittlerweile, ebenso wie die SPD-Fraktion, hinter Scharping gestellt.

Die Aussage der Hardthöhe zum Fall Stecher hat für einiges an Wirbel gesorgt. Vor allem natürlich unter den verschiednen schwulen Gruppierungen. Direkt im Fadenkreuz steht natürlich der BASS, der Bundesweite Arbeitskreis schwuler Soldaten. Der BASS zeigt sich denn auch enttäuscht von dem Verhalten von Scharping und der Bundesregierung. In einem offenen Brief an Scharping heißt es, daß Scharpings als Verteidigungsminister in vielen schwulen Soldaten einen Funken der Hoffnung ausgelöst habe. Schließlich habe Scharping selbst noch im Juli 1998 gesagt, daß die SPD sich für "eine aktive Politik zum Abbau von Diskriminierung und Benachteiligung von Lesben und Schwulen" einsetzen werde. Nun gelte es, die Wahlversprechungen zur Gleichstellung von Homosexuellen einzulösen. Statt dessen, so der BASS, "wehrt man sich mit Händen und Füßen gegen die Gleichbehandlung von Schwulen innerhalb der Bundeswehr".

Der Bundeswehrverband hält sich mit Erklärungen zurück. Schliesslich will er ja alle Soldaten vertreten. Aber auch hier wird die Position des Verteidigungsministeriums als nicht mehr zeitgemäß erkannt. Der Bundeswehr- verband leistet auch Rechtsschutz für Soldaten, die nur Aufgrund ihres Schwulseins aus versetzt oder entlassen wurden. Nach Ansicht des Bundeswehrverbands müssen für alle Soldaten die Verwendungsgrundsätze "Eignung, Befähigung und Leistung" angewendet werden. Die sexuelle Orientierung kommt in diesem Kriterienkatalog nicht vor.

Natürlich meldet sich auch der LSVD, der Lesben und Schwulenverband Deutschland, zu Wort. Der LSVD beklagt, daß Scharping die Politik seines Vorgängers Rühe vortsetzt. Obwohl die SPD ja die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung beenden wollte. Scharping behauptet ja, daß die Untergebenen den Respekt gegenüber schwulen Vorgesetzten verweigern würden. Für den LSVD sind dies Behauptungen, die keine empirische Grundlage haben. Vielmehr treten hier die Vorurteile der Bundeswehrführung zu Tage. Außerdem zeige sich das Verteidigungsministerium nicht dialogbereit. Bereits 1998 hat der LSVD Scharping zu einem Gespräch über Schwule in der Bundeswehr gebeten. Aber der ist nicht daran interessiert.

Die besten Kritiker der SPD kommen aber immer noch aus der SPD selbst. Und so forderte der Vorstizende der Schwusos Niedersachsen, Achim Schipporeit, den Kanzler auf, ein Machtwort zu sprechen. Schließlich habe die rot-grüne Koalition in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich eine Politik zum Abbau von Diskriminierung beschlossen. Da gehe es nicht an, daß ein Regierungsmitglied dann genau das Gegenteil praktiziert. Schweigt der Kanzler, so mache er sich "mitschuldig an der Verletzung der Menschenwürde schwuler Soldaten". Schipporeit wörtlich: "Wie lange noch will sich die rot-grüne Koalition in dieser Frage von Scharping auf der Nase herumtanzen lassen?" Auch in Großbritanien sorgen derzeit schwule Soldaten für Medienrummel. Die Armee ihrer Majestät schlägt derzeit gleich an mehreren Fronten eine Abwehrschlacht gegen Schwule. So sucht Blair derzeit einen Nachfolger für den zum NATO Generalsekretär aufgestiegenen Verteidigungsminister Robertson. Und wurde bei Peter Mandelson fündig. Mandelson ist aber nun mal schwul. Prompt wurden führende Militärs bei Tony Blair vorstellig und haben davor gewarnt, Mandelson zum Verteidigungsminister zu machen. Schließlich dürfen Schwule in der britischen Armee nicht dienen. Und wie es aussieht, wird der nächste britische Verteidigungsminister tatsächlich nicht Mandelson heißen.

Der Ausschluß von Schwulen und Lesben aus der Armee steht derzeit auc vor dem europäischen Gerichtshof auf dem Prüfstand. Auch der deutsche Stecher will notfalls bis zu diesem Gerichtshof gehen, die Briten sind schon dort. Und das nicht zum ersten mal. Bereits 1998 wurde eine Klage noch vor dem Urteil zurückgezogen. Damals wollte nämlich auch eine lesbische Bahnangestellte Freifahrscheine für Ihre Lebensgefährtin, so wie es jeder hetero für seine Lebensgefährtin bzw. ihren Lebensgefährten erhält. Der europäische Gerichtshof wies die Klage ab. Schließlich würden sowohl Schwule als auch Lesben keine Freifahrscheine bekommen. Auf gut Deutsch: Es ist OK, Homosexuelle zu diskriminieren, solange schwule und lesben gleich diskriminiert werden. Damit war auch der erste Anlauf der schwulen Soldaten zum Scheitern verurteilt.

Anscheinend hat sich hier mittlerweile etwas getan. Oder man hat einfach eine andere Klagestrategie gefunden. Auf jeden Fall liegt derzeit eine Klage von fünf Soldaten beim europäischen Gerichtshof. Eine Entscheidung wird noch in diesem Monat erwartet. Wir werden dann daräber berichten.

Die Chancen für die Klage werden als gut eingestuft. Aber hier kommt dann die dritte Abwehrfront ins Spiel, die Politik. Die Labor Regierung unter Tony Blair unterstützt prinzipiell die Forderung, Schwule und Lesben in die Armee zu lassen. Besonders eilig hat man es damit nicht. Zuerst einmal wurde das ganze auf das Jahr 2001 verschoben. Dann muß die Armed forces bill neu beraten werden. Das wäre ein idealer Zeitpunkt, das Verbot aufzuheben. Aber noch besser an dem Termin ist, daß 2001 eh neu gewählt werden muß. Und dann kann man ja zuerst die Wahl und dann das Gesetz angehen. Und wen interessieren schon die Probleme der nächsten Legislaturperiode?

Falls die Wahl gar von den Tories gewonnen wird, hat sich das ganze sowieso erledigt. Dem verteidigungspolitischen Sprecher der Tories graut davor Schwule und Lesben in die Armee zu lassen. Dies sei bloß ein Manöver im Namen der Political correctness und angeblich gegen den überwältigenden Willen der Soldaten. Das wird es unter den Tories nicht geben. Und wenn der europäische Gerichtshof anders entscheidet, dann werden eben die europäischen Gesetze geändert. Lieber werden die europäischen Verträge verkrüppelt, als das ein Schwuler Soldat werden darf. Amerika, du hast es besser. Aber nicht deine schwulen Soldaten. Bill Clinton ist angetreten, die Diskriminierung von Schwulen und Lesben in der Armee zu beenden. Nach dem erbitterten Widerstand der Generäle und konservativer Politiker ist die "Don't ask, don't tell" Direktive herausgekommen. Danach dürfen Schwule in die US-Armee. Sie dürfen dort aber nicht offen schwul auftreten: Don't tell. Dafür dürfen die Vorgesetzten und Dienststellen auch nicht aktiv nach Schwulen suchen: Don't ask.

Der Grundgedanke hinter dieser Regel ist zweifelhaft. Schließlich kann niemand sicher sein, daß er nicht durch einen Denunzianten oder einen dummen Zufall geoutet wird. Und das wäre Grund genug für eine Entlassung. Don't ask, don't tell bietet Schwulen und Lesben vielleicht ein einfacheres Leben als Soldaten in der US army. Aber eben auch keine sichere Zukunft. Ein Beispiel hat hier neulich Aufsehen erregt. Im Landesparlament von Arizona wurde debattiert, ob auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften die üblichen arbeitsrechtlichen Vergünstigungen erhalten sollen. Der Schwule Abgeordnete May hat dabei eine leidenschaftliche Rede gehalten, in der er sich outete. May ist aber Reservist. Und somit hat prompt "Don't ask, don't tell" zugeschlagen.

Aber don't ask don't tell kann auch sonst kaum als Erfolg bezeichnet werden. Seit der Einführung wurden Jahr für Jahr immer mehr Soldaten wegen ihrer Homosexualität entlassen. 1998 waren es 1145, über 90% mehr Soldaten als vor der Einführung von don't ask don't tell. Die Armee behauptet, daß Heterosexuelle Soldaten vorgäben, sie wären schwul, um ehrenhaft entlassen zu werden. Sie kann aber keine Umfragen, Statistiken oder ähnliches Vorlegen, die diese Behauptung stützen würden. Die schwule Gruppe SLDN hat solche Statistiken und kommt zu einem anderen Bild. Vorgesetzte würden immer noch gezielt nach Schwulen suchen und diese dann unter Druck setzen. Von regelrechten Hexenjagden ist die Rede. Interessanterweise werden auch jedes Jahr tausende von Verstößen gegen "don't tell" geahndet. Aber noch kein Verstoß gegen "don't ask".

Wenn man sich ansieht, wie in der weiten Welt die einzelnen Länder mit ihren Schwulen Soldaten umgehen, so erhält man ein doch sehr düsteres Bild. In Argentinien beispielsweise dürfen Schwule nicht nur nicht zur Armee. Nein, wenn bei einem Soldaten herauskommt, daß er eben doch schwul ist, so kann er dafür bis zu sechs Jahre ins Gefängnis kommen.

In Venezuela werden schwule Soldaten nur von der Wehrpflicht freigestellt. Das gilt auch für Thailand. Dort haben die Generäle aber Angst, daß sich auch Heteros auf diesen Weg vor dem Wehrdienst drücken wollen. Also werden schwule Wehrpflichtige getestet, ob sie auch wirklich homosexuell sind. Wie auch immer das gehen soll.

Kein Problem mit Schwulen hat die brasilianische Armee. Es gibt dort nämlich keine Schwulen. Sagt zumindest General da Silva. Schließlich sind Soldaten ja Echte Kerle und Schwule krank und abartig. Die Realität sieht natürlich anders aus. Die brasilianische Armee hat eine außergewöhnlich hohe Rate an HIV-Infizierten. Und davon haben sich zwischen 25% bei der Armee und 56% bei der Luftwache über schwulen Sex infiziert. Sollten die dabei erwischt werden, so werden sie gefeuert. Denn in Brasilien ist das, was es angeblich sowieso nicht gibt, natürlich auch verboten.

Schwuler Sex ist auch in Marokko verboten. Und die Armee dort hat ein besonderes Problem. Angeblich ist nämlich ihr Oberbefehlshaber, König Mohammed, schwul. Behauptet zumindest die Zeitung "De Gay Krant", laut der der König regelmäßig in Brüssels Schwulenszene verkehrt. Wer sich also immer schon einen König angeln wollte, auf nach Brüssel. Laut "De Gay Krant" sind die Generäle von ihrem schwulen König wenig begeistert und König Mohammed kann sich ihrer Unterstützung nicht mehr sicher sein.

Es gibt sicherlich auch Lichtblicke. Aber leider konnte ich nur einen einzigen finden. Die niederländische Armee akzetpiert nicht nur Schwule in Ihren Reihen. Sie wirbt sogar gezielt Soldaten in schwulen Medien.

Als ich mit den Recherchen für diese Sendung anfing, habe ich keine positiven Überraschungen erwartet. Trotzdem haben mich einige Artikel wütend gemacht und ich musste mich sehr zusammenreißen um sachlich zu bleiben. Daher jetzt zum Abschluß noch ein Kommentar.

Nein, mit dem Bund will ich nun wirklich nichts mehr zu tun haben. Und mit 18 hätte ich mir gewünscht, die Bundeswehr wäre so intolerant wie die venezualische Armee und schickt schwule Wehrpflichtige nach Hause. Dafür hätte ich mich sogar geoutet. Aber es gibt eben auch Schwule, die Soldaten werden wollen. Und so ganz verstehen kann ich nicht, warum sie das nicht dürfen sollen. Vielleicht stellen sich manche Generäle kreischende Tunten vor, die auf dem Schlachtfeld mit Wattebällchen nach den Panzern werfen. Was weiß ich. Und die Bundeswehr ist ja nun nicht gerade als progressiver Teil der Gesellschaft bekannt. Das sah man ja auch an der Diskussion über Frauen beim Dienst an der Waffe.

Bedauerlich, daß Schwule und Lesben von der Armee ausgeschlossen werden. Was aber wirklich erschreckend ist ist die Vehemenz, mit der dieser Ausschluß verteidigt wird. Und das eben gerade nicht von den einfachen Soldaten, die plötzlich einen Schwulen im Bett über sich liegen haben. Gerade die Soldaten aus dem persönlichen Umfeld des geouteten haben sich oft am meisten für ihn ausgesprochen, Nein, diese mittelalterlichen Voruteile kommen von der Führungsebene, von Generälen, von Ministern, von Politikern. Von Leuten, die es eigentlich besser wissen sollten.

Ich wünsche mir ja nicht viel. Scharping hätte doch sagen können, daß die derzeitigen Vorschriften keine Schwule in Führungspositionen erlauben. Vielleicht sogar, daß er das bedauert, aber daß nun mal die Zeit noch nicht reif dafür ist. Das hätte ich akzeptieren können. Aber nein. "Homosexualität begründet erhebliche Zweifel an der Eignung und schließt eine Verwendung aus, die an Führung, Erziehung und Ausbildung gebunden sind". Und dann nochmals hinterher. "Würden Sie Ihre Tochter in ein Ferienlager schicken, in dem die männlichen Betreuer mit den Mädchen in einem Zelt schlafen?" Diese unnötig deutlichen Worte können nur bedeuten, daß uns Scharping hier wirklich seine eigene Meinung sagt. Vielen Dank, ich habe verstanden. Wir denken nur an Sex und ficken jeden. Ja, ja, nur nicht unter der Dusche nach der Seife bücken. Schwuchteln haben gefälligst Friseure, Stewards oder Schauspieler zu sein. Basta. Und Frauen gehören an den Herd.

Da habe ich nun meine kleine schwule Welt aufgebaut. Freue mich, daß meine Coming Outs bisher alle recht unspektakulär waren. Bin ganz stolz Händchen haltend über die Heidelberger Hauptstraße gelaufen, und keinen hat es gestört. Schwulsein erschien so angenehm unspektakulär und normal. Aber das ist es eben nicht überall und nicht für jeden. Die Bundeswehr ist ein Spiegel der Gesellschaft. Vielleicht ein Zerrspiegel, aber einer, der nur vorhandene Facetten deutlicher zeigt. Homosexualität wird sicher mehr akzeptiert als noch vor einer Generation. Und Homophobie ist nicht mehr Salonfähig. Wenn ein Dyba uns Schwule als krank und abartig bezeichnet, erhält er in der Öffentlichkeit kein Zu- sondern Widerspruch. Nur ein wenig, aber immerhin.

Aber haben die Menschen wirklich umgedacht? Ich glaube nicht. Die Homophoben haben sich bloss aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. In Reservate, wo solche Vorurteile noch gepflegt werden können. Wie Stammtische oder eben die Bundeswehr. Und von dort werden sie bei Gelegenheit wieder ausbrechen und die Meinungshoheit übernehmen. Wenn wir sie lassen.

Ob man die Bundeswehr nun am liebsten abschaffen will oder von der Generalslaufbahn träumt, die Bundeswehr kann als Gradmesser für die Einstellung der Gesellschaft auch gerade uns Schwulen gegenüber dienen. Und da muß man leider feststellen, daß sich ein trauriges, ja bedrohliches Bild bietet. Hier bei uns in Deutschland und auch im Rest der Welt.

1997 hat Werner Hinzpeter sein Buch "Schöne schwule Welt" veröffentlicht. Seine kontrovers diskutierte These: die schwule Bewegung hat erreicht, für was sie angetreten ist und hat sich selbst überflüssig gemacht. Ich glaube, er hat sich geirrt. Dies ist keine schöne schwule Welt. Nicht, solange Schwule und Lesben öffentlich als minderwertig und krankhaft abgeurteilt werden, wenn auch nur in begrenzten Bereichen wie der Armee. Solange müssen wir für unsere Rechte kämpfen.

 


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Letzte Änderung 30.12.2003