Schwule Mitglieder in Boygroups
Helmut
"Ich bin schwul". Für viele ist es sehr schwer, diesen Satz zu
sagen. Um wieviel schwerer muß es sein, wenn nicht nur
ausgewählte Freunde oder Verwandte zuhören, sondern die
ganze Welt. Damit werden immer wieder schwule Stars konfrontiert. Am
16. Juni war es Stephen Gately von Boyzone. In einem Interview mit der
Zeitung 'The Sun' sagte er eben diesen Satz, 'I am gay'. Und dies
weniger aus freien Stücken, sondern weil jemand anderes die
Geschichte publik machen wollte. Da trat er die Flucht nach vorne an,
damit er wenigstens kontrollieren kann, wie sein Coming Out
dargestellt wird.
Boyzone wurde 1993 gegruendet. Auf eine entsprechende Anzeige
antworteten über 2000 Leute, daranter eben auch Stephen
Gately. Sein Schwulsein hielt er erst einmal geheim, wie er in seinem
Interview mit der Sun sagte: "Ich wollte ungedingt ein Pop Star
werden, aber mir war von Anfang an klar, dass zuzugeben daß ich
schwul bin gleichzeitig ein Good Bye zu allen Ruhmeschancen ist". Pop
Star wurde er. Boyzone ist derzeit die erfolgreichste BoyBand in Gross
Britanien. Seiner Familie hat er schon 94 erzählt, daß er
schwul ist. Und die anderen Boyzone Mitglieder wußten es
natürlich auch.
Aber die Fans sind eben eine andere Geschichte. Wie reagieren die
Mädchen, die mit Postern Ihrer Idole überm Bett einschlafen?
Zerstört man da nicht deren Träume und Illusionen? Und
werden sie sich dann nicht andere Idole suchen, bei denen diese
Traeume noch funktionieren? Damit fing dann die üblichen
Versteckspiele an. Frage: Wer ist Deine Traumfrau. Antwort: Janet
Jackson. Frage: Hast Du eine Freundin. Antwort: Ich warte auf die
Richtige, oder auch Für eine Beziehung ist erst nach Boyzone
genug Zeit. Und so weiter. Stephen will zwar nie gelogen haben, er
habe bloß nicht die ganze Wahrheit gesagt. Aber gerade dieses
lavieren, ausweichen und verbiegen der Wahrheit finde nun ich auf
Dauer besonders erniedrigend. Und mit der Zeit wurde die Situation
für Stephen natürlich eher schwieriger. Mit dem Erfolg kamen
immer mehr Journalisten mit immer mehr Fragen. Und gerade in den
letzten zwölf Monaten wuchs die Neugierde. Denn die anderen vier
Bandmitglieder waren mitlerweile verheiratet. Ronan heiratete als
letzter im Herbst. Für das Image von Boyzone bezeichnend ist
übrigens, daß Ronan als Jungfrau in die Hochzeitsnacht
gehen wollte, und wohl auch ging. Tja, auf jeden Fall war damit
Stephen der einzige Single von Boyzone (zumindest offiziell), und das
provoziert natürlich Fragen. Wie Richard Smith in der Gay Times
so schön formuliert: Diese vier Hochzeiten wurden zu Stephens
Beerdigung.
Außerdem war Stephen eben seit November gar nicht mehr Single,
sondern über beide Ohren verliebt. In Eloy de Long von Caught in
the Act. Seine erste Große Liebe. Ich stelle es mir ziemlich
schwierig vor, als Prominenter eine ernsthafte Beziehung geheim zu
halten. Immer aufzupassen, daß nicht die falschen Journalisten
sehen, wie man sich trifft usw. Aber wenn der andere dann auch noch
prominent ist und beide die Kameras auf sich ziehen? Stephen sagt denn
auch "der Druck wurde unerträglich". Trotzdem hat er mit dem
Coming out gewartet, bis es nicht mehr anders ging. Bis die Frage
nicht mehr hieß ob, sondern nur noch wie er geoutet wird.
Noch einmal möchte ich aus dem Coming-Out Interview zitiern, und
zwar aus Stephens Schlußwort: "Heute ist der wichtigste Tag in
meinem Leben. Von nun an wird alles anders. Ich weiß das, und es
ist ziemlich beängstigend."
Stephen Gately hatte also schon einige Befürchtungen
bezüglich des Coming outs. Und die kann ich durchaus
nachvollziehen. Schliesslich sind gerade Boygroups der Stoff, aus dem
die Träume tausender pubertierender Girlies sind. Die bekannten
Bilder von den Konzerten, auf denen Mädchen Laken mit Texten wie
"Ich liebe dich" oder gleich direkt "Fick mich" hochhalten, sprechen
ja für sich. Und all diesen Fans muß sein Coming out wie
ein Schlag ins Gesicht vorkommen. "Sorry Maedels, andere
Baustelle". Und die ganzen kleinen Lügen von wegen erster
Freundin, Traumfrau etc. koennen in so einem Fall natürlich auch
vorgehalten werden. "Man konnte nicht wissen, wie die Fans reagieren
würden", meinte denn auch Bandmitglied Ronan Keating.
Aber alle Horrorszenarien erwiesen sich, zumindest bis jetzt, als
unbegründet. So wurden im Chatroom auf der Boyzone-Homepage innerhalb von 3
Tagen von 300 Fans Nachrichten hinterlassen - fast alle
positiv. Gerade die weiblichen Teenager haben besonders positiv
reagiert, während die meisten negativen Äusserungen von
Jungs kamen. Stellvertretend möchte ich ein typisches Posting
zitieren: "Hi Steve, du warst sehr mutig! Ich bin sehr stolz auf
Dich. Du bist der beste Sänger und Du bist sehr mutig weil Du
allen Fans gesagt hast, daß Du schwul bist. Und ich vermute,
daß Du eine Menge Herzen brechen mußtest, aber ich war
Dein Fan und ich bin immer noch Dein Fan auch wenn Du schwul bist weil
ich Deine Musik und Deine Stimme liebe. Viel Glück auch Deinem
Freund, ich hoffe, dass Du mit ihm glücklich und total verliebt
bist. Du bist der Beste."
So wie hier haben viele Fans betont, dass Sie Stephen als
Künstler lieben, und es ihnen egal ist, mit wem er ins Bett
geht. Keine hysterischen Girlies. Wie in einem anderen Posting steht:
"Vielleicht sind wir einfach mit Boyzone erwachsen geworden".
Auch bei der Sun gingen zahlreiche Faxe und E-Mails von Fans ein -
auch hier fast durchweg positiv, d.h. bei mehreren tausenden Briefen
praktische kein negativer Ausfall. Insgesamt blieben die
befürchteten Folgen aus. "Unsere Anhängerschaft hat sich
seitdem sogar noch vergrössert" sagte Keating. Ob das, falls es
stimmt, mit dem Coming out von Stephen Gately zusammenhängt, darf
bezweifelt werden. Denn insgesamt war auch das Medienecho geringer und
vor allem anders als man vielleicht erwartet hätte. Mein
Lieblingszitat dazu kommt von Paul Lester, Herausgeber von Uncut: "Ich
glaube, es gab in ganz Grossbritannien nur etwa 11 Leute, die nicht
bereits wussten, daß er schwul ist. Es ist keine große
Sache, und ich glaube, die 'Sun' hat die Tragweite des Ganzen einfach
überschätzt."
Daß Stephen Gately schwul ist, war wohl bereits vorher ein
offenes Geheimnis. Aber Boyzone war immer eine besonders harmonische,
saubere, skandalfreie Band. Und vor allem: No Sex. So kam es,
daß "Stephen Gatelys Schwulsein lange Zeit ein offenes Geheimnis
war, aber eins daß es schaffte, ohne die üblichen
Gerüchte auszukommen", wie Richard Smith von der Londoner Gay
Times schreibt.
Vor dem Coming out keine Skandale, nach dem Coming out hatten es alle
eh schon gewusst. Suns "The most moving showbusiness interview" war
ein Non-Event. Überrascht hat mich auch die Internet Homepage von
Boyzone. Auf der Einstiegsseite kein Wort vom Coming Out. Auch kein
Wort drüber im Porträt von Stephen. Lediglich in den
Nachrichten ein kleiner Eintrag: Die nüchterne Agenturmeldung,
und sonst nichts. Business as usual.
Um nochmals Richard Smith zu zitieren: "We've seen yet another
celebrity come out in a place where some presumed he could not. And
we've seen, once again, that the world has failed to fall
apart. Whatever next?"
Boyzone ist nicht die einzige Boygroup mit einem schwulen
Mitglied. Auf Caught in the Act sind wir ja schon gekommen,
schließlich ist Caught in the Act Mitglied Eloy de Jong der
Freund von Stephen Gately. Caught in the act hat nicht gerade die
sexuelle Orientierung der Bandmitglieder verheimlicht. In der Maenner
Aktuell vom Mai 1997 steht dazu: "Interessant aber, daß sie dem
asiatischen Magazin METRO neulich erzhälten 'Drei von uns vieren
sind schwul, und wir sind stolz, wenn wir auf dem Cover von Gay Times
sind'". Welche drei, haben sie aber nicht erzählt. Ich vermute,
damit die Girls sich sagen können, dass Ihr Liebling die Hete
ist.
Aber damit haben sich Caught in the Act bereits
außergewöhnlich weit herausgewagt. Take That, Backstreet
boys oder Ricky Martin. Gerüchte gibt es unzählige. Mal
etwas konkrete, wie bei Nathan von Worlds Apart, meistens eher diffus,
wie bei den Backstreet boys. Aber eben immer Gerüchte. Und an
einigen Gerüchten muß etwas dran sein, allein schon weil
eben auch unter den Boygroups mindestens so viele Schwule sein
müßten, wie im Rest der Welt.
Selbst wo es offiziell bekannt ist, wird es ignoriert. Wie bereits
gesagt, muss man selbst auf der offiziellen boyzone Homepage nach
Informationen zur Stephens Homosexualität suchen, und findet nur
eine magere Ausbeute. Das Bekenntniss von Caught in the Act ist
vermutlich über die schwulen Medien nie recht herausgetreten. Auf
jeden Fall habe ich bei der großen Auflösung von CITA nie
etwas darüber gehört. Und das gab ja damals einen gewaltigen
Medienrummel, mit Bravo-Sorgentelfonen für die traurigen Teenies
etc. Und auch bei den Fanclubs und Fanseiten im Internet findet man
wenig bis gar nichts dazu. So ist folgender Eintrag über Stephen
noch immer eher typisch. "Chancen: Und wie. Es hat noch niemand eine
Freundin an Stephens Seite ausgemacht. Go for it girls". Und bei
Caught in the Act waren die Fans tatsächlich davon
überrascht, dass Eloy schwul ist. Dabei hätten sie es doch
schon seit 1997 wissen können.
Anscheinend sind schwule Popstars immer noch ein Schandfleck oder
zumindest ein Risiko. Man könnte jetzt vielleicht denken,
daß dies nur bei Boygroups und ähnlichen Acts auftritt, die
gewissermaßen ein Verfallsdatum tragen. Aber auch sogenannte
etablierte Künstler haben damit ihre Probleme.
Beispiel Elton John: 1976 gibt er bekannt, er wäre bisexuell. 1984 heiratete
er auch, die Ehe war allerdings wenig glücklich und hielt gerade mal
vier Jahre. 1990 starb dann sein Freund Ryan White an AIDS. Elton John
war damals schon vom Raubbau an seinem Körper mit Drogen und Alkohol
gezeichnet und begab sich in den Entzug. Seine persönlichen Probleme, und
eben auch seine sexuelle Orientierung, führten ihn auf diesen
selbstzerstörerischen Kurs. Erst in dieser Krise konnte er sich dann dazu
durchringen, öffentlich zu sagen, daß er schwul und nicht bi ist.
Und auch eine andere schwule Pop-Ikone, George Michael, bekannte sich
erst dann zu seiner Homosexualität, als es gar nicht mehr anders
ging. Auch da behauptete er noch, dass die Stücke aus der WHAM
Zeit, was ja auch so eine art früher Boygroup war, noch an Frauen
gerichtet waren. George Michael gibt auch einen Grund für die
Heimlichtuerei an: Ein Sänger mit einer unklaren sexuellen
Orientierung habe einen besseren Zugang sowohl zu Frauen als auch zu
Männern.