Persönlichkeiten von schwulem Interesse
Rosa von Praunheim
Helmut
Rosa von Praunheim wurde am 25. November 1942 in Riga im heutigen
Litauen geboren. Damals hieß er übrigens noch Holger
Bernhard Bruno Mischwitz. Aufgewachsen ist er dann in Berlin und in
Frankfurt/Main. Die Schule brach er noch vor der Mittleren Reife ab,
um die Werkkunstschule in Offenbach und später die Hochschule
für Bildende Künste in Berlin zu besuchen. Dort studierte er
Malerei, versuchte sich aber auch mit 16mm Kurzfilmen. Einige konnte
er erfolgreich ans Fernsehen verkaufen, um damit Geld zu
verdienen. Für Geld hat er auch geheiratet - um ein zinslosen
Darlehen für Jungverheiratete zu kassieren.
Praunheim hat als Regisseur über 43 Kino- und Fernsehfilme
gedreht, von dem 1967er Kurzfilm 'Von Rosa von Praunheim' bis zum
gerade erschienenen 'Der Einstein des Sex - Leben und Werk des
Dr. M. Hirschfeld'. Die meisten davon wurden übrigens von 1967
bis 1992 gedreht, sozusagen seinen Sturm und Drangjahren. Zu 23 davon
hat er auch das Drehbuch geschrieben und in sieben trat er selbst
auf. Über seine Filme sagte ein Kritiker 1984: "Vom cineastischen
Standpunkt aus betrachtet, sind Rosa von Praunheims Filme barbarisch -
nur ist fraglich, ob man diesen Filmen gegenüber einen
cineastischen Standpunkt einnehmen kann."
Einer seiner wohl bekanntesten und besten Filme dürfte 'Ich bin
meine eigene Frau' von 1992 sein. Hier verfilmt er das Leben von
Charlotte von Mahlsdorf. 'Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern
die Situation in der er lebt' von 1970 stellt zweifelslos seinen
Durchbruch dar.
Nach der Aufführung dieses Filems bildeten sich vielerorts
spontan schwule Gruppen. Dadurch erhielt die schwule Bewegung in
Deutschland entscheidenden Schwung und Auftrieb. Kaum noch vorstellbar
ist, dass der WDR diesen von ihm produzierten Streifen erst nur in
seinem dritten Programm zeigen wollte und sich der Bayerische
Rundfunk, als er dann doch im Ersten lief, ausschaltete.
Aber provoziert hat Rosa von Praunheim immer gerne.
So hat er 1990 die schwule Bewegung recht geschlossen gegen sich
aufgebracht. In einem Spiegel-Interview hat er die AIDS-Hilfe und AIDS-Politik
kritisiert und spekuliert, dass es "vielleicht besser wäre, wir
hätten mehr Gauweiler und weniger Suessmuth gehabt". Sogar von
"Mithilfe zu Mord und Totschlag" sprach er. Im Gegenzug war er
für die AIDS-Hilfe gestorben, wie auf einem Flugblatt deutlich wurde:
"Er war einer von uns. Rosa von Praunheim ist von uns gegangen... Keine
Schwulen Ehrentitel mehr für Verräter aus den eigenen Reihen. Dieser
Mann schadet uns. Lassen wir ihn endlich rechts liegen".
Seinen größten Auftritt, seine größte
Provokation hatte von Praunheim dann wohl 1991/92. Auch wenn er heute
sagt, es wäre ihm rausgerutscht. Sein Outing von Prominenten
schlug Wellen, die auch heute noch nicht verschwunden sind. Zuerst
bei der RTL-Sendung der Heisse Stuhl, danach etwa bei Pro und Contra,
nannte er die Namen von vermeintlich Schwulen, Lesben oder
Bisexuellen. Darunter waren Hape Kerkeling, Patrick Lindner, Alice
Schwarzer, Alfred Biolek, Peter Gauweiler und unser
Bundespräsident, Schwester Johannes. Von Praunheim hat das Outing
nicht erfunden, wie vieles kam es aus den USA. Aber er hat es nach
Deutschland importiert. Er hat dazu gesagt: "Outing ist ein
Verzweifelungsschrei in einer desolaten Situation. Wir brauchen die
Hilfe von Prominenten, die uns zeigen, daß wir nicht allein
sind. Wir brauchen die Presse, die über Schwule nicht nur
berichtet, wenn sie ermordet wurden. Wir brauchen positive Leitbilder,
auch wenn es Schlagersternchen sind." Eine Ansicht, über die man
auch heute noch stundenlange Diskussion führen kann.
Pionierarbeit hat von Praunheim auch im Fernsehen geleistet. Acht
Jahre vor anders Trend hat er im Berliner Sender FAB das Magazin
"Schrill, schräg und schwul" aus der Taufe gehoben. Nach acht
Sendungen stieg er aus, die Sendung lief unter dem Titel "andersrum"
noch einige Zeit erfolgreich weiter.
Seit 1971 lebt Rosa abwechselnd in New York und Berlin, seit 12 Jahren
ganz bürgerlich mit seiner Mutter.