Persönlichkeiten von schwulem Interesse
Harvey Milk
Helmut
Nach dem ich die letzten Male Männer aus dem deutschen
Showgeschäft als Mann des Monats vorgestellt habe, betrete ich
heute neuen Boden. Der Mann des Monats Oktober 1999 ist mit Harvey
Milk ein Politiker aus den Vereinigten Staaten. Harvey Milk war eine
zentrale Figur in der Schwulenbewegung der USA. Als angesichts des
nahenden Jahr 2000 das Time-Magazine 20 für das Jahrhundert
repräsentative "Helden und Ikonen" gesucht hat, wurde
eben auch Harvey Milk ausgewählt. Er findet sich damit in der
illustren Gesellschaft von Charles Lindbergh, Marilyn Monroe, Anne
Frank, Mutter Theresa oder Diana. Wer war dieser Harvey Milk?
Harvey Milk wurde am 22 May 1930 in Woodmere, Long Island geboren. Mit
17 wurde er verhaftet, weil er in einer Cruising Area des Central
Parks nicht züchtig genug gekleidet war. Er ging während des
Korea Krieges zur Armee. Danach arbeitete er als Lehrer für
Mathematik und Geschichte und schließlich machte er Karriere als
Investment Banker an der Wall Street. Über seinen Freund Jack
McKinley kam er mit der alternativen Szene in Berührung. McKinley
war an der Produktion der Broadwayaufführung von Hair
beteiligt. Als Hair dann 1969 nach San Franzisko ging, ging McKinley
mit. Und Milk auch. In San Franzisko erwachte dann das politische
Interesse von Harvey Milk. 1973 trat er, erfolglos, bei der Wahl zum
Stadtrat von San Franzisko an. Nach einigen weiteren erfolglosen
Anläufen auf das Kalifornische Landesparlament und den Stadtrat
von San Franzisko wurde er am 8. 11. 1977 dann in das Board of
Supervisors von San Franzisko gewählt. Damit machte er etwas
wahr, das eigentlich vollkommen unvorstellbar war. In den
Siebzigern wurde in den USA Homosexualität noch oft als
Geisteskrankheit betrachtet. Und für ganz normalen schwulen Sex
konnte man im Gefängnis landen. Die politisch aktiven Schwule
versuchten über schwulenfreundliche, heterosexuelle Politiker
Einfluß zu üben. Aber ein offen schwuler Abgeordneter war
unvorstellbar. Bis Harvey Milk kam, kandidierte und schließlich
auch siegte. Für viele war dies ein lang erwarteter
Befreiungsschlag. Wie eine 68 jährige Lesbe schrieb: "Ich danke
Gott. Ich habe lang genug darauf gewartet, daß meinesgleichen
aus den Schatten hervortreten und unseren Platz in der menschlichen
Gesellschaft einnehmen". Wie unvorstellbar dies war, zeigen auch die
Morddrohungen, die Harvey Milk aufgrund seiner Kandidaturen
erhielt. Seine Antwort darauf: If a bullet should enter my brain,
let that bullet destroy every closet door. Er bekam seinen Willen.
Am 27. November 1978 wurde Harvey Milk durch zwei Kopfschüsse
getötet. Mit ihm wurd auch der Bürgermeister Moscone
ermordet. Auf einem spontanen Trauermarsch nahmen über
fünfzigtausend Menschen teil. Der Mörder war der
konservative, schwulenfeindliche Stadtrat Daniel White, der gerade aus
dem Board of supervisors ausgeschieden war. White bekam für die
Morde nur sieben Jahre Gefängnis. Die Verteidigung argumentierte,
dass White kurzfristig nicht zurechnungsfähig gewesen sei, da er
zu viel Junk-Food gegessen hätte. Allerdings soll White bereits
Tage zuvor angekündigt haben, daß er eine echte
Überraschung für die schwule Community habe. Das Urteil
wurde unter den Schwulen mit einem Aufschrei der Empörung
beantwortet. In San Franzisko brachen nach der Bekanntgabe des Urteils
spontane Demonstrationen aus. Schließlich gipfelte die Wut in
gewalttätigen Ausschreitungen. Mehr als 160 Verletzte wurden in
Krankenhäuser eingeliefert.
Durch seine Wahl und seine anschließende Ermordung hat Milk viele
Schwule aufgerüttelt. Auch erhielten dadurch er und die Schwulen Amerikas
eine bis dahin unbekannte Aufmerksamkeit und Sympathie unter der
heterosexuellen Bevölkerung. Der Name Harvey Milk begegnet einem in den
USA und San Franzisko häufig: In San Franzisko wurde ein Platz nach ihm
benannt und, ja so etwas wie die Volkshochschule vom schwulen Stadtteil Castro.
Ebenfalls nach ihm benannt wurde die erste lesbisch-schwule Schule in New
York. Harvey Milks Leben und Sterben wurde in Filmen, Musical, Opern und
Büchern erzählt. The Times of Harvey Milk wurde 1085 als bester
Dokumentarfilm mit einem Oskar ausgezeichnet.