Persönlichkeiten von schwulem Interesse
Gianni Versace
Helmut
Gianni Versace wurde am 2.12.1946 in Reggio di Calabria geboren. Er studiert
Architektur und arbeitet im Schneidergeschäft seiner Mutter mit. 1972
zieht er nach Mailand und arbeitet als Designer von verschiedenen
Modefirmen. 1978 macht er sich dann mit der Präsentation der ersten
Kollektion unter seinem Namen im Palazzo della Permanente in Mailand
selbstständig. In seinen Kollektionen sorgt er mit ungewöhnlichen
Materialmixes wie Jute mit Seide für aufsehen. Er ist auch der Erste, der
Jeans auf den Laufsteg bringt. Aber prägend für seine Mode wurden
leuchtende Farben und auffallende Muster.
Nach dem Sprung in die Selbstständigkeit entwickelt sich Versaces
Karriere steil nach oben. 1996 liegt der Jahresumsatz bei über 800
Millionen Mark. Als erster Modedesigner der Welt darf er 1985 im Victoria and
Albert Museum London eine Kollektion vorstellen. Neben seinen Kollektionen
für Damen, Herren und Kinder gibt tragen bald auch Parfüms,
Accessoires und sogar Fliesen und Teller seinen Namen und sein Markenzeichen,
das Medusenhaupt. Außerdem entwirft er Kostüme für zahlreiche Opern,
Balletts und Theateraufführungen.
Das Modeimperium liegt fest in der Hand der Familie. Bruder Santos und
Schwester Donatelle führten die Geschäfte, Donatellas Mann leitete
die Herrenabteilung. Pläne für einen Börsengang lagen bei seinem
Tod zwar in der Schublade, waren aber noch nicht spruchreif. Und in der
Schublade blieben sie dann auch. Durch die familiäre Leitung war auch nach
dem Tod Versaces die Weiterführung der Geschäfte nahezu reibungslos
möglich. Versace hat neben Giorgio Armani die italienische Mode groß
gemacht und ihr Weltruf verschafft. Zuletzt überstrahlten jedoch neue
Namen wie Prada, aber auch ältere wie Gucci, den seinen. Versace
kämpfte gegen eine Krebserkrankung, die ihn zum zeitweiligen Rückzug
zwang
Die Werbung für Versaces Mode wird mit der Zeit immer
homoerotischer. Seine Großformatigen Männerkataloge lässt er von
Bruce Weber photographieren. Dabei tritt die zu vermarktende Bekleidung aber
immer mehr zugunsten der reinen Aktphotographie in den Hintergrund. In seinem
Buch "Der Mann ohne Krawatte" erläutert Versace sein Verständnis
von männlicher Schönheit, deren Ideal er vor allem in der
griechisch-römischen Klassik sieht. Er selbst ist Besitzer einer
umfangreichen Sammlung antiker und französischer Antiquitäten. Nach
seinem Tod brachte allein die erste Versteigerung von unter anderem 25 Picassos
über 18 Millionen Dollar ein.
Der in seiner Präsentation offen vorgeführten Homoerotik
entspricht sein diskreter, aber ebenso offener Umgang mit seiner eigenen
Homosexualität. Er beschäftigt seinen langjährigen Lebensgefährte
Antonio d'Amico als hochrangigen Designer in seinem Unternehmen.
Am 15. Juli 1997 wird Versace vor seiner Villa in Miami Beach von dem 27
Jahre alten schwulen Callboy und Serienmörder Andrew Philip Cunanan
erschossen. Zehn Tage später nimmt sich Cunanan das Leben. Der Mord
erregt ein weltweites Medienspektakel. Bereits wenige Stunden nach der Tat sind
drei Biographien über den Mörder in Auftrag gegeben. Auf der
Trauerfeier in Mailand erscheinen unter anderem Prinzessin Di, Naomi Campbell
und Karl Lagerfeld. Elton John, der eng mit Versace befreundet war und
Bühnenmusik zu seinen Modeschauen komponiert hat, singt zusammen mit Sting
den Psalm 23.
Unmittelbar nach dem Tod Versaces und in den folgenden Tagen während
der Suche nach seinem Mörder dominiert der Mord die Nachrichten, auch hier
in Deutschland. Und kein Bericht kam ohne einen Hinweis auf Versaces und
Cunanans Homosexualität aus. Ich glaube, das war das einzige Mal, das ich
die Wörter "Homosexuell" und "schwul" in der BNN las. Am
liebsten wurde die Homosexualität der beiden erwähnt, um ein verruchtes,
gefährliches, unmoralisches Milieu zu suggerieren. Ein Umstand, über den
man sich herrlich aufregen kann, und in solchen Fällen gibt es
zuverlässigerweise einen Kommentar von Elmar Kraushaar in der taz, aus dem ich
hier kurz zitieren will: "Vier Stunden nach seiner Ermordung in Miami
Beach gehen die ZDF-Nachrichten 'heute' auf Sendung, Aufmacher
Versace. [...] 'Weiß man mehr über die Hintergründe der
Bluttat?' fragt es aus der Bodenstation Mainz. 'Zuverlässiges
kann man noch nicht sagen', antwortet Siegloch und fährt unbeirrt
fort: 'Man sollte aber eines wissen: South Beach Miami hat eine
blühende Homosexuellen-Szene. Und in dieser Szene hat Gianni Versace viele
Freunde gehabt.' Was will uns Herr Siegloch damit sagen? [...] Da parliert
der Reporter mit seriösem Augenaufschlag von solch netten Dingen wie
'blühender Szene' und 'vielen Freunden' und will doch
nur suggerieren, daß man für die Aufklärung der Tat doch bitte
schön genau diese Szenerie unter die Lupe nehmen sollte."
Und noch einmal: "Und welche Vorstellungen vom 'Milieu'
verbergen sich hinter der bedrohlichen Rede darüber? Die ganze schwule
Bande eine kriminelle Vereinigung? Eine geschlossene Gesellschaft mit
mafiaähnlichen Strukturen? [...] Auf jeden Fall ist die bewährte
Tradition der Faustregel 'Homosexualität = Verbrechen' noch
lange nicht am Ende."