Persönlichkeiten von schwulem Interesse
John Edgar Hoover
Helmut
Heute habe ich für die Biographie einen der vermutlich
einflussreichsten und zugleich umstrittensten Männer der US-Geschichte des
20. Jahrhunderts herausgesucht. Präsidenten kommen und gehen, aber an den
Spitzen der Behörden sitzen Beamte, die jahrzehnte lang die Entscheidungen
eben dieser Präsidenten mitformen, umsetzen oder blockieren. Ja, die
letztlich Präsidenten machen oder verhindern. Einer der zweifellos
wichtigsten dieser Männer war John Edgar Hoover, der insgesamt fast auf
den Tag genau 55 Jahre im Staatsdienst und davon 48 Jahre an der Spitze des FBI
stand.
Hoover steht ebenso für die Verwandlung des FBI von einem recht
chaotischen, ineffizienten Organisation in eine respektable und erfolgreiche
Polizei- und Geheimdienstorganisation wie auch für die MC Carthy Exzesse
oder den Watergate-Skandal. Nach Hoovers Tod wurden massenweise geheime Akten
und Dossiers des FBIs vernichtet. Sein Biograph über diese Akten:
"sie beinhalteten erpresserisches Material über den Patriarchen einer
politischen Dynastie Amerikas, seine Söhne und deren Frauen sowie anderer
Frauen; Hinweise auf zwei Verhaftungen wegen homosexueller Handlungen die
Hoover an die Öffentlichkeit brachte um einen demokratischen
Präsidentschaftskandidaten zu besiegen; die Überwachungsprotokolle
über eine von Amerikas bekanntesten First-Ladies und ihrer angeblichen
Liebhaber, weiblich und männlich, schwarz und weiss; [...] eine Liste der
FBI-spione im Weissen Haus während der Amtszeiten von 8
Präsidenten."
John Edgar Hoover wurda am 1.1.1895 in Washington D.C. geboren. Er war das
jüngsten von drei überlebenden Geschwistern, die beiden anderen waren
13 bzw. 15 Jahre älter, eine 5 Jahre ältere Schwester war 1893
gestorben.
Edgar studierte erst Jura und nahm eine Stelle im Staatsdienst an. Nach dem
Krieg brach in den USA die erste Welle antikommunistischer Hysterie aus. Der
Generalstaatsanwalt eröffnete eine Abteilung, die speziell für die
Verfolgung und Abschiebung von Kommunisten zuständig war, ohne dass
dafür jedoch eine Rechtsgrundlage bestand. Hoover wurde Chef dieser
Abteilung. Sein Aufstieg wurde auch durch persönliche Beziehungen und
durch die Lücken, die einberufene Kollegen hinterließen,
begünstigt
Innerhalb von drei Monaten umfasste seine Liste der Verdächtigen
bereits 150.000 Namen. Am 2. Januar 1920 fanden groß angelegte Razzien
statt. Über 10.000 Menschen wurden verhaftet. Auch wenn die meisten nach
ein paar Tagen wieder freigelassen wurden, auch wenn das Presseecho
zunächst verheerend war, auch wenn von den letztlich 1.600
Abschiebungsanordnungen zwei drittel sofort wieder aufgehoben werden mussten:
die Aktion war letztlich ein Erfolg für Hoover. Dafür sorgte eine
parallel von ihm initiierte PR-Kampagne. Allerdings waren auch die folgenden
Aktionen Fehlschläge. Für Hoover leitete diese Erste
Kommunistenverfolgung auf jeden Fall seine Zeit an der Spitze des FBI ein.
Hoover kam an die Spitze des FBIs über einen Deal. In seinen Akten
über die Kommunisten war einiges Material über politische Gegner des
damaligen Generalstaatsanwalts. Als Dank für die stillschweigende
Überlassung dieses Materials wurde Hoover zum Assistenten des FBI Chef
befördert. Als dann der Posten des FBI Chefs frei wurde, wurde er Hoover
zunächst kommissarisch und dann 1924 dauerhaft übertragen. Grund
dafür war auch der Zustand des FBI. Korruption war weitverbreitet und
Hoover sollte den Laden aufräumen.
Und das tat er auch. Mit einigen spektakulären Einsätzen wie im
Fall des berühmten Revolverhelden John Dillinger schuf Hoover das Bild des
heroischen FBI Beamten als selbstlosen und unermüdlichen Kampf für
Recht und Ordnung. Unterstützt wurde er dabei von Hollywood, da die
Zensur verlangte, dass in den Gangsterfilmen die Gangster am Ende immer
gestellt werden mussten, am Besten vom FBI. Das FBI und damit Hoover wurde
berühmt. Hoover selbst bekam kurzfristig eine Radiosendung.
Das Heldenbild hätte leicht Risse bekommen können, wenn die
Geheimhaltung nicht so gut funktioniert hätte. So wusste das FBI von den
Angriffsplänen auf Pearl Harbour, ignorierte die Berichte
aber. Außerdem bespitzelte das FBI wieder das Privatleben vieler
Bürger, nachdem Frankleen D. Roosevelt Befürchtungen wegen
kommunistischer Umtriebe geäußert hat und Hoover beauftragte, diese
zu beobachten. Für Hoover ein Freibrief, in schmutziger Wäsche zu
stochern.
Daraus wird später eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem House
Un-American Activities Committee, der Mc Carthy Organisation, die von 1947 bis
1954 dauert. Dann wird aber Mc Carthy auch Hoover zu unheimlich, und er stoppt
sofort jegliche Zusammenarbeit des FBIs mit Mc Carthy. Binnen Jahresfrist wurde
Mc Carthy vom Congress entmachtet.
Hoovers eigene Schnüffelaktion unter dem Namen COINTELPRO ging aber
weiter, bis kurz vor Hoovers Tod. COINTELPRO sammelte Fakten und Gerüchte
über Kommunisten, Homosexuelle, Demokraten, Black Panther,
Präsidenten und Gegner Hoovers. Erst 1971, nachdem ein FBI-Büro
überfallen und die geheimen Papiere geplündert wurden, kamen diese
Machenschaften langsam ans Licht. Selbst hier griff Hoover noch einmal in das
große Rad der Geschichte ein. Der damalige Präsident hieß
Nixon. Den interessierte mehr, wie die ganzen kompromittierenden Details an die
Öffentlichkeit kommen konnten. Hoover weigerte sich aber, sich darum zu
kümmern, also machte Nixon seinen eigenen Geheimdienst unter dem Namen
"The White House Plumbers" auf. Der blieb nicht lange geheim, wenige
Monate später stand dieser illegale Geheimdienst im Zentrum der Watergate
Affäre.
Hoover hält sich auch nach dem Bekannt werden der FBI Praktiken an der
Spitze des FBIs, bis zu seinem baldigen Tod. Als Hoover 1972 stirbt, ist er der
erste Zivilist, dem in der Rotunde des Capitols ein Staatsbegräbnis zu
teil wird.
Dafür zerfällt nach seinem Tod das Image des FBIs und das Image
Hoovers um so schneller. Sein Nachfolger muss bereits nach einer kurzen
Amtszeit seinen Hut nehmen, wegen der Watergate Affäre.
Und über Hoover wird überraschendes bekannt: Der Mann, der die
sexuellen Vorleiben tausender Amerikaner ausspioniert hat, der Mann, der
Präsidenten und Präsidentschaftskandidaten mit Berichten über
homosexuelle Affären erpresst hat, dieser Mann war anscheinend selbst
homosexuell. Spitzenstrümpfe und Stilettabsätze entfachten angeblich
seine Leidenschaft, und beim Sex ließ der von intimen Freunden liebevoll
Mary genannte sich angeblich gerne aus der Bibel vorlesen. Der Verfechter
für Recht und Ordnung soll angeblich auch enge Kontakte zur Mafia gehabt
haben. Sein Biograph Anthony Summers mutmaßt, diese gingen wahrscheinlich
auf seine eigenen homosexuellen und transvestitischen Vorlieben zurück,
die ihn zu einem Erpressungsopfer haben werden lassen. So soll es
kompromittierende Photos Hoovers zusammen mit seinem Lebensgefährten Edgar
Tolson gegeben haben, die Hoover dazu brachten, über hochrangige Vertreter
des organisierten Verbrechens schützend die Hand zu halten.
Gerüchte über seine Homosexualität gab es immer. Hoover fuhr
buchstäblich aus der Haut, wenn man ihn darauf ansprach. Dabei gab es
genug Indizien dafür. Nicht nur dass Hoover sein Leben lang Junggeselle
blieb, es gab in seinem Leben außer seiner Mutter tatsächlich nie
eine Frau, noch nicht einmal eine Verabredung mit einer Frau. Dafür gab es
ganz klar und für alle sichtbar einen Mann, Clyde Tolson. Tolson ging mit
Hoover auf die Universität. Später folgte er Hoover zum FBI und wurde
dort dessen rechte und linke Hand. Die beiden waren unzertrennlich. Auf
öffentlichen Empfängen traten sie gemeinsam auf, Dienstreisen
unternahmen sie zusammen. Auch Tolson war übrigens zeitlebens ledig.
Das Bild einer homosexuellen Beziehung zwischen Tolson und Hoover ist so
naheliegend, dass man selbst in Biographien und Berichten, die keine schwulen
Standpunkt einnehmen wollen, daran kaum vorbeikommt. Dabei schaffen es ja viele
Biographen selbst bei wohlbekannten Schwulen und Lesben diesen Aspekt zu
meiden.
Die Frage über Hoovers sexuelle Orientierung ist aber nicht nur
unvermeidlich weil es irgendwelche Gerüchte gibt. Vielmehr sind sowohl die
extreme und ins perverse abgleitende Ausprägung seiner Sexualität
verbunden mit seiner kompromisslosen Verfolgung Homosexueller bis hin zur
Erpressung hier der interessante Aspekt.
Wenn man den Gerüchten glauben will, gab sich Hoover auch den
ausgefalleneren Spielarten homosexueller Lust hin, so etwa transvestitischer
Rollenspiele oder auch Sado-Maso Spielen. Das alles natürlich hinter
verschlossenen Türen, während gleichzeitig seine Agenten
ähnliche Praktiken bei Politikern, Prominenten und normalen Bürgern
akribisch sammelten.