Persönlichkeiten von schwulem Interesse
Detlev Meyer
Helmut
Detlev Meyer wurde am 12 Februar 1950 in Berlin geboren. In Berlin und
Cleveland studierte er Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Später
arbeitete er unter anderem in Kanada als Bibliothekar und in Jamaika als
Entwicklungshelfer. 1981 erschien das erste Buch von Detlev Meyer, ein
Gedichtband mit dem Titel "Heute Nacht im Dschungel". In den Jahren
1985 bis 1989 erschienen die Teile seines wohl bekanntestes Werk, der Trilogie
"Biographie der Bestürzung". Meyer erzählt hier die
Geschichte seines Alter Egos Dorn. Dorn hat viel mit Detlev Meyer gemein. Auch
Dorn ist schwul, auch Dorn ist Schriftsteller. Detlev Meyer erzählt
anhand Dorns über den Alltag, die Liebe, die Beziehung zu seinem Freund
Viktor und die schwule Subkultur. Der erste Band, "Im Dampfbad greift
nach mir ein Engel", zeigt Dorn als genießerischen
Großstadtmenschen, der sich durch das Berliner Nachtleben treiben
läßt. Im zweiten Band, "David steigt aufs Riesenrad",
erleben wir Dorn und Viktor mit ihrer Busenfreundin Todora an der
Nordseeküste. Im dritten Band, "Ein letzter Dank den
Leichtathleten", wird das muntere Treiben durch Aids beendet. Das Thema
Aids ist in der gesamten Trilogie präsent, im letzten Band wird es
dominant.
Die Bedrohung durch AIDS hat in den 80ern einen Schock ausgelöst. Die
einen verfielen in hilfloses Schweigen, andere plapperten genauso hilflos
daher. Meyer hingegen schrieb und zeichnete ein Bild der Hilflosigkeit
angesichts von AIDS und dem gleichzeitigen Drang zu reden um den Schock so zu
verarbeiten. Meyers Alter ego Dorn versucht in dem Roman über AIDS zu
schreiben - und findet keine Worte, noch nicht einmal einen Anfang. Meyer
thematisiert so all die Ängste, die Verdrängung und die Not im Umfeld
von AIDS. Auch zeigt er die Hilflosigkeit, die richtigen Worte zu finden. Der
Gefahr, selbst in diese Klemme zu geraten, entgeht er durch den Trick, nicht
über AIDS zu schreiben, sondern über jemanden, der über
AIDS schreibt. Meyer hatte damit den ersten großen deutschen AIDS
Roman schon längst geschrieben, als der deutsche Kulturbetrieb und das
deutsche Feuilleton das Thema AIDS endlich entdeckte. Meyers Credo dabei:
"Der Leidensdruck soll die Leser nicht erdrücken. Er soll die
Schönheit der Sprache nicht erdrücken. Das Buch soll weder den Autor
noch den Leser in furchtbare Depressionen schupsen. Es soll Balance halten
zwischen Betroffenheit, Distanz und Nähe. Und es soll auch ein
vergnügliches Buch sein."
Nicht nur in dieser Trilogie thematisiert Detlev Meyer schwule Beziehungen
und die schwule Szene. Trotzdem machte er nach eigenem Verständnis keine
schwule Literatur. Seine Meinung dazu: "Ich bin bereit, von schwuler oder
heterosexueller Literatur dann zu sprechen, wenn ich in der nächsten
Ausgabe der FAZ oder der Zeit lese, daß ein neues Werk der
heterosexuellen Literatur erschienen ist. [...] Aber zur Zeit ist das wirklich
nur dieser Literatur zugeordnet, dieser Begriff schwul, um sie in die Ecke
drängen, an den Rand zu drängen, sie exotisch zu machen."
Meyer war einer der wenigen Autoren in Deutschland, der mit Romanen,
Geschichten und Gedichten über schwules ein Publikum weit über die
Grenzen der schwulen Szene hinaus gefunden hat. Sein letztes Buch "Stern
im Licht" erschien 1998. Detlev Meyer starb am 30. Oktober 1999 an den
Folgen von AIDS.