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Persönlichkeiten von schwulem Interesse

Charlotte von Mahlsdorf

Helmut

Charlotte von Mahlsdorf wurde im März 1928 in Berlin-Mahlsdorf geboren. Damals hieß sie noch Lothar Berfelde. Der zarte Knabe hatte sehr unter seinem gewalttätigen Vater zu leiden, der einen Soldaten aus ihm machen wollte. Zuflucht und Geborgenheit fand er bei seinem Großonkel Josef Brauner. Was ihn hier umgab, sollte eine Liebe für das ganze Leben werden: die Wohnkultur der Gründerzeit. Berühmt wurde Charlotte von Mahlsdorf durch ihr in mühsamer, private Initiative aufgebautes Gründerzeitmuseum in Berlin.

Früh gepackt von der Sammelleidenschaft hatte der Achtzehnjährige bereits 1946 fünf vollständige Zimmereinrichtungen zusammengetragen. Nach dem Krieg stellte Charlotte diese fünf Zimmereinrichtungen im Schloss Friedrichsfelde aus. Auch aus Westberlin kamen damals noch Möbel. Als sie 1959 vom geplanten Abriss der Kriegsruine des Gutes in Mahlsdorf hörte, setzte sie sich für den Erhalt ein und bekam das Haus sogar mietfrei zur Verfügung gestellt. 1960 eröffnete sie den ersten kleinen Teil ihres Gründerzeitmuseums im damals größtenteils noch zerstörten Gebäude. In langwieriger, mühevoller Arbeit stellte sie das Gutshaus in der um 1780 vorhandenen Gestalt mit einigen der Veränderungen von 1869 wieder her.

Zu den besten Zeiten umfasste die Sammlung schließlich 23 Zimmereinrichtungen. Daneben gab es Spezialsammlungen: Uhren, Kostüme, Nähmaschinen, Spiegel, Öfen und vor allem Musikmaschinen. Und auch eine vollständige historische Kneipeneinrichtung der Jahrhundertwende. Vieles davon ging verloren, als der Staat 1974 das Museum in seinen Besitz bringen wollte. Charlotte von Mahlsdorf, die durch unbillige Steuerforderungen unter Druck gesetzt wurde, verschenkte ihre Sammlung lieber Stück für Stück an die Besucher. Durch das Engagement der Schauspielerin Annekathrin Bürger und des Rechtsanwalts Friedrich Karl Kaul konnte die Aktion 1976 gestoppt werden.

Das Gründerzeitmuseum entwickelte sich trotz dieser Hindernisse zu einer beachtlichen Erfolgsgeschichte. Das in der DDR nie offiziell anerkannte Museum wurde in Film-, Künstler- und auch Schwulenkreisen immer beliebter. Ab 1970 fanden hier oft Treffen und Parties der Schwulen- und Lesbenszene statt. 1972 wurde das Haus auf die Denkmalliste der DDR gesetzt. 1990 erwirbt Charlotte von Mahlsdorf das Gutshaus als rechtmäßigen Besitz; der 1987 unter Schutz gestellte Gutspark bleibt Eigentum der Stadt Berlin. Für ihre Verdienste um die Erhaltung der Gründerzeit-Einrichtungen hatte Charlotte von Mahlsdorf 1992 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Im gleichen Jahr erscheint ihre Biographie "Ich bin meine eigene Frau". Parallel entstand der gleichnamige semidokumentarische Spielfilm von Rosa von Praunheim.

Zu diesem Zeitpunkt zeigten sich aber schon die ersten dunklen Zeichen am Horizont. 1991 überfallen Neonazis ein Frühlingsfest im Gutshaus. Schlimme Ahnungen nach diesem Überfall sowie finanzielle Belastungen veranlassten Charlotte schließlich zu dem schweren Entschluss, ihre Heimat zu verlassen. 1995 wurde das Gründerzeitmuseum offiziell geschlossen. Im Frühjahr 1997 übersiedelte Charlotte nach Porla Brunn in Mittelschweden und eröffnete dort ein Jahrhundertwendemuseum. Zu dieser Zeit wird auch bekannt, dass sie von 1971 bis 1976 als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi geführt wurde. Die IM-Mitarbeit wird schließlich wegen Zitat "unbefriedigender Leistungen" Zitat Ende abgebrochen.

Die im Gutshaus Mahlsdorf verbliebenen Bestände konnten durch die Stadt Berlin erworben und so für die alte und neue "Gründerzeit-Metropole" erhalten werden. Beträchtlichen Anteil daran hatte der 1997 gegründete Förderverein Gutshaus Mahlsdorf e.V., der das Gründerzeitmuseum im Juni desselben Jahres wiedereröffnete. Heute präsentiert der Förderverein des Museums jeden Mittwoch Führungen durch die von Charlotte zusammen getragene kulturhistorische Sammlung. Daneben werden Spezialführungen angeboten und das Haus und Gelände kann auch für Veranstaltungen gemietet werden.

Charlotte von Mahlsdorf ist am 30. April im Alter von 74 Jahren bei einem Besuch in Berlin an Herzversagen gestorben. Sie wurde in Berlin-Mahlsdorf beigesetzt. Erst danach wurde ihr Tod offiziell bekannt gegeben.

 


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Letzte Änderung 16.1.2004