Persönlichkeiten von schwulem Interesse
Wilhelm Wieben
Helmut
Als es auf deutschen Bildschirmen nur drei Programme gab, bestimmte die
Tagesschau den Ablauf des Abends in den deutschen Wohnzimmern. Auch heute noch
ist die Stelle des Anchor Manns der Tagesschau eine Eintrittskarte in den
exklusiven Klub der VIPs, eine Lizenz zum Bücher schreiben und
Vorträge halten. Einer der bekanntesten Tagesschausprecher war Wilhelm
Wieben. Von 1972 bis 1998 präsentierte er mit seinem bekannten kühlen
Understatement die Nachrichten. Zum letzten mal am 29. Juni 1998. Im Alter von
63 Jahren schied er damals auf eigenen Wunsch aus der Tagesschau aus.
Danach wurde es erst einmal ruhig um ihn. Zwar trat er immer wieder in
Talkshows auf, moderierte zahlreiche Veranstaltugen, sprach Hörbücher
und so weiter. Verglichen etwa mit seiner Kollegin Sabine Christiansen trat er
wirklich in den Ruhestand und verschwand von der öffentlichen
Bildfläche. Seit einiger Zeit ist er aber wieder im Fernsehen zu sehen. Im
dritten Programm moderiert er eine Sendung namens "Melodie der
Meere", die am 25. März 2001 immerhin schon die 30. Ausgabe feiern
durfte.
Anlässlich dieser Sendung gab Wilhelm Wieben auch der Zeitschrift TVneu
ein Interview, aus dem ich auch noch ein paar Ausschnitte zitieren werde.
Natürlich würden wir hier kaum über Wilhelm Wieben reden, wenn er nicht
schwul wäre. Ich konnte nicht feststellen, wann Wiebens Homosexualität
publik wurde, oder wann er sich öffentlich dazu bekannt hat. Das ist aber
eigentlich charakteristisch für Wiebens Umgang mit seiner sexuellen
Orientierung. Mit dem gleichen kühlen Understatement, mit dem er die
Nachrichten präsentierte, handelte er auch seine Homosexualität in
der Öffentlichkeit ab. Entsprechend gibt es keinen aufsehenerregenden
Skandal, keine lange Liste an Zeitungsartikel darüber und keine
Gerichtsprozesse. Wilhelm Wieben sagte einmal zum Thema Outing "Outen kann
man nur jemanden, der etwas verbirgt".
Gegenüber TVneu antwortete er auf die Frage, ob er wirklich Männer
liebe: "Ja, das stimmt. Das tue ich seit meiner Pubertät. Aber damals
musste ich meine Gefühle noch verstecken." Heute sei dies nicht mehr
nötig. "Zum Glück nicht. Die Gesellschaft hat sich sehr
verändert. Man wird akzeptiert, so wie man ist."
Wieben ist ja nun nicht der einzige Schwule Ex-Tagesschausprecher. Ein
anderer war ja der mitlerweile verstorbene Werner Veigel. Und damit bin ich bei
einem kleinen Skandal aus dem Jahre 1998 rund um schwule, oder auch nicht
schwule, Tagesschausprecher. Damals stand in einem kleinen Buch des Berliner
Quer-Verlags das nicht nur Werner Veigel, sondern auch dessen Kollege Jens
Riewa schwul wäre. Der heterosexuelle Riewa fand diese Behauptung ehr- und
geschäftsschädigend und Verklagte den Quer-Verlag. Vielleicht hätte
er seine Kollegen fragen sollen. Wilhelm Wieben jedenfalls antwortete dem
Schwulenmagazin Hinnerck auf die Frage, ob er in seinem Beruf als offen
Schwuler Nachteile zu befürchten hatte, ganz eindeutig mit "nicht die
geringsten".
Man kann Wieben kaum als Bewegungsschwester bezeichnen. Trotzdem: unter
Wiebens Aktivitäten finden sich viele mit schwulem Bezug. Zum Beispiel
Geld Sammeln für die AIDS-Hilfe. Oder 1998, als er die Eröffnungsgala
des Hamburger CSD moderierte. Oder etwa dass er bei einer der wenigen anders
trend-Sendungen war. Wem das nichts mehr sagt, anders trend war ein mit viel
Tamtam gestartetes schwullesbisches TV-Magazin, das nach einer Handvoll, recht
erfolgreicher, Sendungen still und leise wieder vom Bildschirm verschwand. Bei
Anders Trend plädierte Wieben für einen normalen Umgang mit der
Homosexualität. "Die Menschen haben gefälligst zur Kenntnis zu
nehmen, dass es so und nicht anders ist." und "Der liebe Gott oder
die Gene haben es nicht anders gewollt." Normalität fordert er aber
auch von der anderen Seite, den Schwulen." Diese sollten sagen:
"Komm, das ist normal, lass das Tuntenhafte und diese ganzen
Hervorhebungen, ist doch viel attraktiver, ganz normal zu sein."
Wilhelm Wieben ist übrigens Single, und zeigt sich darüber nicht
sonderlich betrübt: "Ich habe einen großen Freundeskreis. Und
ich habe mich schon als Kind am wohlsten gefühlt, wenn ich allein war. Ich
brauche meine Freiräume." Die Frage, ob er denn etwa
beziehungsuntauglich sei, bejahte er eindeutig: "Stimmt genau. Das war
schon immer so. Diese Art von Nähe konnte ich noch nie ertragen, auch wenn
der Mensch mir noch so lieb ist. Das würde immer im Zerwürfnis
enden."
Der Jüngste ist Wilhelm Wieben ja nicht mehr, da stellt sich dann schon
mal die Frage nach der Angst vor dem Älterwerden. "Ach Gott, wissen
Sie, niemand wird gerne alt. Und wenn man das Glück hat, so wie ich,
gesund zu sein - dann ist das schon ein großes Geschenk, für das ich
sehr dankbar bin." Auch wenn er nicht gerne alt wird, so ist er nach
eigener Aussage recht zufrieden. Für die Zukunft wünscht er sich auf jeden
Fall keine Änderungen: "Ich weiß nicht, wie lange meine Show
noch läuft, aber mein Autor und ich haben da noch eine ganze Menge Ideen -
ansonsten darf alles so bleiben, wie es ist."